Schritt für Schritt zurück ins Arbeitsleben

Betriebe sind zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet. Welche Regeln sollten beachtet werden? Wie hilft BAD?

Arbeitgeber sind verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement – kurz BEM – anzubieten. Doch wie geht das? Was ist zu beachten – etwa im Datenschutz? Und was sind die Vorteile, wenn man sich Unterstützung von BAD sucht? Tipps von BAD-Expertin Katharina Kresse. Sie ist in der BEM-Beratung seit zwölf Jahren tätig und begleitet und unterstützt Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen.

Frau Kresse, können Sie aus Ihrer Praxis einige typische BEM-Fälle nennen?
Katharina Kresse:
In einer Stiftung wurde eine Mitarbeiterin als Referentin mit neuen Aufgaben betraut. Sie sollte Projekte bündeln und wurde deshalb anderen Abteilungen, die bislang weisungsfrei gearbeitet haben, vorgesetzt. Die Kolleginnen und Kollegen akzeptierten diese Konstellation nicht und ließen die Mitarbeiterin das spüren. Sie brach darunter zusammen und fiel wegen psychischer Belastungen und starken Panikattacken fast ein Jahr aus. Die ersten Gespräche haben wir geführt, bevor überhaupt feststand, wann sie wieder zurückkehren konnte. In der Rehaklinik haben wir dann die Rückkehr in persönlichen Gesprächen genau geplant und eine Brücke zum Arbeitgeber gebaut. Die Mitarbeiterin empfand es als außerordentlich hilfreich, jemanden an der Seite zu haben, der diesen Weg mit ihr geht. In der Reha hat sie in den Gruppengesprächen erlebt, wie viele der Menschen in Bezug auf ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz noch sehr viel Ungewissheit und damit verbunden Ängste erlebt hatten. Die Mitarbeiterin wurde in eine andere Abteilung versetzt. Vor Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung fand noch ein gemeinsames Gespräch mit dem neuen Vorgesetzten statt. Somit konnte die Mitarbeiterin mit einem guten Gefühl starten.

Ein anderes Beispiel, das zeigt, inwieweit  auch Maßnahmen außerhalb des Arbeitsplatzes Wirkung auf die Arbeitsunfähigkeitszeiten haben: Ein Altenpfleger fiel seinem Arbeitgeber auf, weil er sehr schnell viel Gewicht verlor. Er war vorher allerdings nicht übergewichtig. Dann fiel er immer wieder aus. Im BEM-Gespräch gab der Mitarbeiter an, dass sein Sohn an einer schweren Neurodermitis leidet und die Sorge besteht, dass er seine Ausbildung deshalb abbricht. Dies verursachte eine enorme psychische Belastung. Jedoch wollte er sich weder einer Psychotherapie unterziehen noch einer Selbsthilfegruppe beitreten. Das BEM drohte zu scheitern. Um einen Abbruch zu vermeiden, willigte er aber schließlich ein, eine Psychotherapie zu probieren. Im Rahmen des BEM haben wir gemeinsam nach einem verfügbaren Therapeuten gesucht, die Therapie begann und das BEM konnte beendet werden. Nach etwa einem Jahr kontaktierte der Mitarbeiter mich erneut, um sich zu bedanken. Aus eigenem Willen hätte er die Therapie, die für ihn so erfolgreich war, niemals durchgeführt. Es fühlte sich wieder richtig fit.

Ein BEM ist freiwillig, muss aber arbeitgeberseitig angeboten werden. Lohnt sich BEM eigentlich für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber?
Kresse
: Definitiv. Dadurch ergeben sich viele Chancen für Arbeitgeber. Denn qualifizierte Kräfte müssen im Unternehmen gehalten werden, sie sind nicht mehr beliebig ersetzbar. Meines Erachtens ist BEM eine gute Möglichkeit, die Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu stärken und die Kommunikation zu verbessern. Gerade in Abwesenheit auf Grund von Erkrankungen kann durch mangelnde Kommunikation mit dem Arbeitgeber eine Missstimmung entstehen, die nicht gewollt ist. Hier stellt BEM die Kommunikation wieder her und ebnet den Weg für eine gemeinsame Suche nach Lösungen.

Welche Fragen werden im BEM-Fall mit Betroffenen besprochen?
Kresse:
In erster Linie wird besprochen, was zu der Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Nicht immer sind es betriebliche Ursachen. So sollten auch Ursachen außerhalb des betrieblichen Umfelds angegangen werden. Im zweiten Schritt arbeiten die Beteiligten den aktuellen Stand der Erkrankungen durch. Ist die Erkrankung ausgestanden, kann man klären, was es braucht, um die Arbeitsfähigkeit langfristig zu sichern. Ist sie noch nicht ausgestanden, kann man auch über alternative oder zusätzliche Behandlungen und Therapien sprechen.

Welche Bestimmungen im Datenschutz müssen Arbeitgeber beachten?
Kresse:
Die Anforderungen an den Datenschutz sind gerade im BEM sehr hoch. Für das „ordnungsgemäße“ Angebot BEM muss der bzw. die BEM-Berechtigte umfassend zum Datenschutz  und Umgang mit den eigenen Daten aufgeklärt werden. Nur so ist die Zustimmung oder Ablehnung gültig. BEM-Berechtigte alleine bestimmen, wer am BEM-Verfahren beteiligt wird und an wen welche Daten weitergegeben werden. Sie haben also Kontrolle über das Verfahren.

Bestimmte Personengruppen unterliegen nach § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) einer besonderen Schweigepflicht. Alle anderen am BEM-Beteiligten müssen eine Datenschutzerklärung gemäß DSGVO unterzeichnen, damit der Betroffene rechtlich abgesichert ist.  Ist der BEM-Verantwortliche zeitgleich verantwortlich für Personalangelegenheit, darf er das Wissen über den Gesundheitszustand aus den BEM-Gesprächen nicht für personelle Entscheidungen verwenden, z. B. für eine Kündigung.

Gibt es eine BEM-Akte?
Kresse:
Ja, die wird angelegt. Die BEM-Akte muss verschlossen aufbewahrt werden und darf keinem Dritten zugängig sein. Fällt der BEM-Verantwortliche aus, darf die BEM-Akte nicht ohne Weiteres von der Vertretung eingesehen werden.  Und zuletzt bestimmt nur die BEM-berechtigte Person alleine, welche Daten weitergegeben werden dürfen.

Welche Informationen kommen denn dann in die Personalakte?
Kresse:
Nur bestimmte wenige Dokumente sind für die Personalakte bestimmt. Dazu gehören  ausschließlich das BEM-Angebot, die Einverständnis- oder Ablehnungserklärung, die Dokumentation über durchgeführte betriebliche Maßnahmen und die Beendigung des  BEM. Alles andere gehört hinein.

Wie reagieren Kunden und betroffenen Mitarbeitende aus Ihrer Erfahrung, wenn wir als BAD ein BEM begleiten?
Kresse:
Spätestens nach der schriftlichen Bestätigung der Schweigepflicht schütten die betroffenen Mitarbeiter ihr Herz aus. Das schafft optimale Bedingungen, um Maßnahmen abzuleiten. Nur wenn man „alle Baustellen“ kennt und weiß, wo der Schuh drückt, kann man optimale Lösungen erarbeiten. Und zwar Schritt für Schritt. Als externe Akteure sind wir neutral, und genau das schafft das notwendige Vertrauen. Oft fällt dann noch der Satz: „Aber mein Arbeitgeber erfährt ja nicht, was ich hier sage, oder…?“ ein paar Mal. Aber spätestens nach der Antwort ist das Eis endgültig gebrochen.

Auf der anderen Seite sind Arbeitgeber erleichtert, wenn sie sich nicht mit den „persönlichen Baustellen“ befassen müssen, sondern erst bei der Lösungsfindung beteiligt werden. Arbeitgeber sind sich meist auch sicher, dass die Mitarbeiter ihnen gegenüber nicht alles äußern würden - aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Dabei spielen das Verhältnis und die Kultur zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht immer eine Rolle, in Zeiten der Krankheit und deren Folgen erlebt jeder Arbeitnehmer Existenzängste.
 

Unsere Angebote zum Thema Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

  • Wir implementieren BEM im Unternehmen
  • Wir beraten und betreuen betroffene Mitarbeiter professionell
  • Wir koordinieren die Zusammenarbeit im Integrationsteam
  • Wir klären Beteiligte über Rechte, Pflichten und Datenschutz auf
  • Gegebenenfalls beziehen wir externe Einrichtungen mit ein
  • Wir steuern und dokumentieren Maßnahmen zur Wiedereingliederung
  • Wir werten Lösungen systematisch aus und optimieren Wiedereingliederungsprozesse
  • Wir führen die BEM-Akte, bewahren sie auf und vernichten sie nach entsprechender Frist

Eingliederungsmaßnahmen

  • Prävention beinhaltet alters- bzw. behindertengerechte Arbeitsgestaltung, die Aufdeckung von Fehlbeanspruchungen und Leistungsveränderungen
  • Gesundheitsförderung umfasst die Verhaltensprävention, den Abbau von Belastungsrisiken sowie die Förderung des sozialen und individuellen Gesundheitsbewusstseins.
  • Rehabilitation erfasst den Prozess der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, die Förderung der arbeitsrelevanten Fähigkeiten und die Suche nach geeigneten Einsatzmöglichkeiten und Tätigkeitsbereichen inkl. Schonarbeit


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