Homeoffice, geschlossene Fitnessstudios, kaum Treffen mit Freunden: Während der Corona-Pandemie haben sich viele Menschen deutlich weniger bewegt als zuvor. 40 Prozent haben außerdem zugenommen. Das hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Wie der sportliche Wiedereinstieg nach einer längeren Pause gelingt, erklärt BAD-Beraterin Gesundheitsmanagement Svenja Michaelis.
Eine bedenkliche Entwicklung, zumal die Befragung der Technischen Universität München ergeben hat, dass sich die Deutschen seit dem ersten Lockdown nicht nur weniger bewegt, sondern auch zugenommen haben. 40 Prozent wiegen jetzt mehr als vor Beginn der Pandemie. Bei den 30- bis 44-Jährigen war es sogar fast jeder Zweite. Im Schnitt liegt die Gewichtszunahme bei 5,6 Kilogramm. Befragte mit einem Body-Mass-Index von über 30 haben sogar durchschnittlich 7,2 Kilogramm zugelegt.
Was also tun, um den inneren Schweinehund dazu zu bewegen, sich von der bequemen Couch zu erheben? Schließlich empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Minimum von 150 Minuten körperlicher Aktivität pro Woche.
Svenja Michaelis, Beraterin Gesundheitsmanagement bei BAD, rät, in dem Fall eine Sportart zu suchen, die guttut und Spaß macht. „Der Wiedereinstieg ist immer schwer, keine Frage“, sagt sie, „aber vielleicht ist es möglich, erst mal das Wandern oder Spazierengehen aus Lockdown-Zeiten fortzuführen.“ Um sich zu motivieren, könne es helfen, sich das positive Gefühl hervorzurufen, das sich nach der sportlichen Betätigung einstelle. Wichtig sei es außerdem, der Aktivität einen klaren Zeitpunkt zu geben. „Denn Training zu festen Zeiten schafft durch die Regelmäßigkeit wieder Routine“, ist die Erfahrung der BAD-Beraterin. Das Umfeld einzubinden helfe ebenfalls, einen „sozialen Druck“ zu schaffen. Und wem das schon zu viel ist? „Beginnen Sie erst einmal damit, Ihre Alltagsaktivitäten zu steigern, zum Beispiel zu Fuß zum Supermarkt oder eine größere Runde mit dem Hund zu gehen und die Treppen im Büro zu nutzen“, gibt Svenja Michaelis Beispiele.
Andere Menschen sind nach den vielen Monaten des Bewegungsmangels hoch motiviert, wieder mit dem Sport zu beginnen – jetzt, wo Fitnessstudios und Schwimmbäder erneut geöffnet sind. Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass man nach einer längeren Sportpause nahtlos an das alte Niveau anknüpfen kann. Bevor man mit dem sportlichen Wiedereinstieg beginnt, ist es wichtig zu verstehen, was mit dem Körper während der Sportpause passiert ist. „Gerade die Muskulatur beginnt bereits nach circa acht Tagen abzubauen, wenn diese keinen neuen Reizen ausgesetzt ist“, erklärt die Gesundheitsexpertin. „Genetisch funktioniert unser Körper nach dem Prinzip ,Was nicht zwingend benötigt wird, wird abgebaut‘, um Energie zu sparen und in die wirklich wichtigen Dingen zu stecken.“ Bewegungsmangel habe außerdem Einfluss auf den Stoffwechsel. Er verlangsame sich, werde träge – ein steigender Blutzuckerspiegel und langsamerer Blutfluss wirkten sich auf das Herz-Kreislauf-System aus. „Ebenso büßen wir nach circa zwei Wochen auf Ausdauerebene unser Sauerstoffvolumen ein, da das Herz langsamer pumpt und weniger Sauerstoff transportiert wird“, sagt sie.
Quelle: Forsa-Studie der DAK-Gesundheit, April 2021
Doch es gibt Hoffnung: „Beim Wiedereinstieg greift der Körper durch den sogenannten Muscle-Memory-Effect auf bestehende Informationen, wie früheres Leistungsniveau beziehungsweise Muskelvolumen, im Muskelzellkern zurück“, erläutert Svenja Michaelis. Deshalb gelinge ein Wiedereinstieg schneller als der Muskelaufbau bei Personen, die neu einsteigen. „Abhängig vom Ausgangsniveau benötigt bei Sporteinsteigenden die Muskulatur mit circa sechs bis acht Monaten wesentlich länger, um sich an eine sportliche Belastung zu gewöhnen, als das Herz-Kreislauf-System, das sich im Vergleich mit sechs bis acht Wochen relativ schnell an steigende Belastung anpasst“, sagt sie. Sehnen, Bänder und Faszien benötigten sogar noch länger. Um belastungsbedingte Beschwerden, wie zum Beispiel Knie- oder Hüftproblemen, besonders bei Läufer*innen, vorzubeugen, ist eine kontinuierliche und behutsame Belastungssteigerung notwendig.
Aus diesen Gründen ist laut der BAD-Gesundheitsexpertin für den Wiedereinstieg ins Training ein langsamer, moderater Start wichtig: „Machen Sie sich frei von dem Gedanken, dass nach monatelanger Pause die gleichen Gewichte in den ersten Trainingseinheiten auf dem Plan stehen wie zuvor. Reduzieren Sie Umfang und Intensität und schauen Sie, wie Ihr Körper darauf reagiert.“ Vor allem in den ersten zwei Wochen sollte beobachtet werden, wie der Körper auf die Trainingsreize anspricht. „Als grober Richtwert kann mit Mobilitäts-, Ausdauer- und Krafttraining mit circa 50 Prozent der maximalen Belastung sowie ein bis drei Tagen Erholungspausen zwischen den Trainings gestartet werden“, rät Svenja Michaelis. „Starten Sie gegebenenfalls erst mit Grundübungen, zum Beispiel Schulterkreisen, und weniger Muskelgruppen oder der kleinen Laufrunde, bevor Sie wieder in komplexere Bewegungen übergehen, um den Körper nicht zu überfordern.“
Mit anderen Worten: Es braucht Geduld, um wieder aufs Vor-Pandemie-Niveau zu kommen oder als Neueinsteigende fit zu werden. Deshalb empfiehlt die Gesundheitsexpertin: „Seien Sie freundlich und nachsichtig mit sich. Jeder Schritt – und sei er noch so klein – zählt.“
Die meisten Menschen kennen sie nur zu gut – die Auseinandersetzung mit dem inneren Schweinehund. Wenn man aktuellen Studien glaubt, hat er bei zahlreichen Deutschen während der Coronapandemie ordentlich Oberwasser gehabt.
So haben 52 Prozent der Befragten einer OnlineStudie der Technischen Universität München im Juni 2021 angegeben, dass sie sich seit Beginn der Coronakrise weniger bewegen als vorher. Je höher der Body-Mass-Index (BMI) der Menschen ist, desto häufiger (60 Prozent) kam es vor, dass sie nicht mehr vom Sofa hochkamen. Beschäftigte, die ganz oder teilweise von zu Hause arbeiten, sind offenbar besonders vom Bewegungsmangel betroffen. In einer Forsa-Umfrage für die DAK-Gesundheit vom Februar dieses Jahres sagten 71 Prozent, dass sie im Homeoffice weniger aktiv waren als vor der Pandemie – bei 44 Prozent war es sogar „deutlich weniger“.
Als häufigste Gründe gaben in beiden Befragungen jeweils mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie weniger Bewegung im Alltag haben, weil zum Beispiel der Fuß- oder Radweg zur Arbeit wegfalle oder die Strecke zum Einkaufen oder zu privaten Besuchen, die coronabedingt seltener geworden sind. 53 Prozent führten die geringere Aktivität auf fehlende Möglichkeiten wie geschlossene Fitnessstudios oder nicht stattfindende Sportkurse zurück. Ein Drittel der im Homeoffice Arbeitenden berichtet überdies, dass sogar Alltagsaktivitäten wie Spaziergehen, Haus- und Gartenarbeit oder Treppensteigen weniger geworden seien.