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"Raumluftfilter helfen nicht nur gegen Corona"

inForm 04/2021

Raumluftfilter helfen nicht nur gegen Corona

Gute, gesunde Luft und ein niedrigeres Risiko, an COVID-19 zu erkranken: Raumluftfilter können jahreszeitenunabhängig ein Segen für Kitas, Schulen, aber auch alle Unternehmen mit Einzel- und Mehrpersonenbüros sein. Simon Kraft, Fachkraft für Arbeitssicherheit bei BAD, geht im Interview auf die Vorteile und auf die Grenzen der Geräte ein und räumt dabei mit Klischees auf.

  Über gesunde, gute Raumluft wird in Pandemiezeiten viel diskutiert. Aber was ist überhaupt eine gesunde Raumluft? Wie wird diese erreicht?

 Simon Kraft: Was wirklich gesunde Raumluft ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. Der Idealfall wäre sicher eine unbelastete Luft wie in der freien Natur, auch wenn Allergiker das vielleicht noch etwas anders betrachten.

In Innenräumen können neben dem durch Atmung entstehenden Kohlendioxid und Wasserdampf noch Bestandteile aus verschiedenen Quellen die Luftqualität beeinträchtigen: Dies können beispielsweise flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (englisch: Volatile Organic Compounds) sein oder auch Formaldehyde, Duftstoffe aus Reinigungsmitteln oder je nach Region auch das radioaktive Edelgas Radon. Für diese und noch weitere Stoffe gibt es Grenz- oder Richtwerte für das Auftreten in der Raumluft. Jedoch sind Personen auch unterschiedlich sensibel. Einzelne können bereits sehr früh auf einen Bestandteil reagieren, andere bei der auftretenden Dosis hingegen nicht


  Bei der Übertragung des Coronavirus spielen vor allem Aerosole eine Rolle – also feste und flüssige Partikeln, die wir ausatmen. Wie lange können Aerosole in geschlossenen Räumen überleben, wenn nicht gelüftet wird?

 Simon Kraft: Dieser letzten Frage sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts im vergangenen Jahr nachgegangen und haben auf Basis der aus dem Jahr 2020 bekannten Daten und Virusvarianten einen Risikokalkulator erstellt, mit dem das Infektionsrisiko anhand von Raumeigenschaften, Verhalten der infizierten Personen und Dauer der Raumnutzung abschätzbar ist. Der Risikokalkulator ist abrufbar unter www.mpic.de/4747361/risk-calculator.
Generell handelt es sich bei Aerosolen mit Viruspartikeln zunächst um in Flüssigkeit eingehüllte Viren oder deren Bestandteile. Je größer diese sind, desto schneller sinken sie zu Boden. Bei sehr trockener Luft verdunstet die Flüssigkeit rasch und das Virus bleibt quasi als Feinstaub in der Luft. Feinstaub wiederum sinkt nur sehr langsam ab, das kann mehrere Stunden bis Tage dauern. Daher steigt im Winter das Infektionsrisiko in Innenräumen gegenüber einem feuchtwarmen Sommer.


  Wie viele virenbeladene Aerosole braucht es eigentlich, um sich zu infizieren?

 Simon Kraft: Pauschal kann ich das nicht beantworten. Eine Infektion hängt von der Virusvariante, dem Anteil der Virenlast in den Aerosolen und der eigenen Tätigkeit ab. Je stärker die Atmung, desto tiefer dringen die Aerosole in die Lunge ein und erleichtern den Viren den Zutritt in den Körper. Das ist auch ein Grund, warum es in Schlachthöfen bislang so viele Infektionen gab: Die Aerosole halten sich in der feuchten, kühlen Luft und die Mitarbeitenden atmen aufgrund der körperlich anstrengenden Tätigkeit tief ein.


  Warum ist die Forderung nach Raumluftfiltern von verschiedenen Seiten in unserer Gesellschaft besonders hoch?

 Simon Kraft: Bei dieser Forderung muss man vorsichtig sein. Das Wort „Filter“ suggeriert, dass ein Filter nicht zu Infektionen führt. Dem ist aber nicht so. Gute, gesunde Luft und ein niedrigeres Risiko, an COVID-19 zu erkranken: Raumluftfilter können jahreszeitenunabhängig ein Segen für Kitas, Schulen, aber auch alle Unternehmen mit Einzel- und Mehrpersonenbüros sein. Der Einsatz von Raumluftfiltern ist lediglich eine unterstützende Maßnahme, um das Infektionsrisiko zu senken. Ausgeatmete Luft kann ein Raumluftfilter nicht sofort wieder einsaugen, ehe eine andere Person diese wieder einatmet.
Aktuelle Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zu Luftfilteranlagen in öffentlichen Gebäuden lauten, dass durch die Geräte ein drei- bis fünffacher Luftwechsel je Stunde erreicht werden muss. Dazu kann man die aus dem Amerikanischen stammende und anerkannte „Clean Air Delivery Rate“ als Berechnungsgrundlage verwenden. Dieser Bewertungsstandard sagt, dass ein Luftreiniger tatsächlich gemäß den Produktangaben des Herstellers funktioniert.


  Was sollte man beim Kauf und Einsatz von Raumluftfiltern unbedingt beachten?

 Simon Kraft: Die Auswahl der richtigen Filterklasse ist essenziell, das heißt, die Geräte sollten mindestens die Kategorien H13 oder H14 nach DIN EN 1822-1 haben. Auch müssen die Geräte regelmäßig gewartet werden; bei der Aufstellung sollte zudem die Luftströmung den gesamten Raum durchspülen. Und genau hier liegt der Knackpunkt: Hindernisse im Raum können die Luftströmung stark beeinflussen und diese nicht mit einfachen Mitteln vorhersehbar machen.


  Was sind die Vorteile von Raumluftfiltern? Für welche Branchen eignen sie sich besonders gut?

 Simon Kraft: Raumluftfilter sind dort vorteilhaft, wo sich mehrere Personen über einen längeren Zeitraum in einem Raum aufhalten (müssen) und die Lüftungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, das heißt, es ist keine technische Raumlüftung vorhanden oder das Öffnen der Fenster ist umständlich oder führt zu akustischen Störungen und wird daher nur seltener praktiziert. Auch Räume mit einer großen Tiefe und einseitiger Fensterfront können ein Einsatzfeld für die mobilen Raumluftfilter sein, um die schlecht durchlüfteten hinteren Raumbereiche zu entschärfen.


  Sollten Betriebe direkt in große Raumluftfilteranlagen investieren?

 Simon Kraft: Raumluftfilteranlagen mit Anbindung an die Außenluft haben gegenüber mobilen Geräten den Vorteil, dass ein Luftwechsel erfolgt und so auch der Sauerstoffanteil hoch und das Kohlendioxid niedriger gehalten wird. Durch Wärmerückgewinnung kann sich der nachträgliche Einbau sogar gegenüber der klassischen Fensterlüftung amortisieren. Neben Viren werden auch andere Schadstoffe wie VOC, Radon et cetera abtransportiert, was ein mobiles Filtergerät nicht leisten kann.


  Immer mal wieder heißt es, dass Raumluftfilter das Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2 erhöhen können. Stimmt das?

 Simon Kraft: Virenbelastete Raumluft, die auf dem Weg zum Filter ist, kann natürlich auch Personen erreichen, die ohne das Gerät weniger betroffen wären. Auch ein mangelhafter Pflegezustand des Filtergeräts kann die Wirkung herabsetzen und die Nutzer in falscher Sicherheit wiegen. Daher gilt es, neben der ausreichenden Wartung des Geräts auch durch regelmäßiges Öffnen der Fenster für einen zusätzlichen Luftwechsel zu sorgen.


  Warum sind Raumluftfilter nicht zwingend ein saisonales Thema, speziell im Herbst und Winter?

 Simon Kraft: Je nach Lage des Objekts kann das Lüften auch im Sommer eingeschränkt sein, wenn beispielsweise Lärm von draußen stark stört. In sehr tiefen Räumen und wenn Einbauten wie akustische Trennwände vorhanden sind, kann der Luftwechsel auch beeinträchtigt sein. In diesen Fällen können Raumluftfilter ganzjährig helfen, die Situation zu verbessern.


  Wie kann die Infektionsgefahr in Mehrpersonenbüros möglichst gering gehalten werden?

 Simon Kraft: Das A und O ist das Lüften. In Mehrpersonenbüros mit zusätzlichen Einbauten kann wie gesagt der Luftaustausch beeinträchtigt sein. In diesen Fällen kann der Einsatz von mobilen Raumluftreinigern sinnvoll sein. Am besten wäre jedoch der Einbau einer raumlufttechnischen Anlage (RLT-Anlage), die für ausreichend Luftwechsel sorgt und durch geeignete Luftführung das Infektionsrisiko begrenzt. Luft sollte nur über wenige Arbeitsplätze strömen und nicht quer durchs ganze Büro.

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