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Homeoffice mit Kindern: In Balance bleiben

Homeoffice mit Kindern

Wie kann man von Kindern verlangen, dass sie wissen, wann ihre Eltern arbeiten und wann sie für sie da sind? Kann man mit ihnen eigentlich über Corona sprechen? Was können Eltern tun, um in Balance zu bleiben? Wie können Führungskräfte in so einer Situation wirksam unterstützen?

Inhalt:

Die Coronakrise ist eine Zeit, die Familien viel abverlangt. Die Kinder sind zu Hause, die Eltern ebenfalls im Homeoffice. Wie kann man von Kindern verlangen, dass sie wissen, wann ihre Eltern arbeiten und wann sie für sie da sind? Kann man mit ihnen eigentlich über Corona sprechen? Was können Eltern tun, um in Balance zu bleiben.? Wie können Führungskräfte in so einer Situation wirksam unterstützen? Ein Gespräch mit Susanne Laß, BAD-Beraterin Gesundheitsmanagement.

Moderation:

Maria Kalina, Christian Gies (BAD-Unternehmenskommunikation)

CORONA-PANDEMIE

Homeoffice mit Kindern

Die Coronakrise ist eine Zeit, die Familien viel abverlangt. Die Kinder sind zuhause, die Eltern ebenfalls im Homeoffice. Kindern, Beruf und sich selbst gerecht zu werden, ist in dieser Situation gar nicht einfach. Und wie kann man von Kindern verlangen, dass sie wissen, wann ihre Eltern arbeiten und wann sie für sie da sind, wenn sie doch die ganze Zeit über gleich greifbar erscheinen? Kann man mit ihnen eigentlich über Corona sprechen? Und was können Eltern tun, um in Balance zu bleiben.

Darüber hat die BAD-Redaktion mit Susanne Laß gesprochen. Sie ist Beraterin Gesundheitsmanagement bei BAD am Standort Frankfurt und berät Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen individuell im Rahmen einer psycho-sozialen Sprechstunde.
 

Redaktion: Homeoffice und Familie in Einklang bringen ist nicht leicht. Wird das in Ihren Beratungsstunden thematisiert?

Susanne Laß: Das Thema Homeoffice und Familienleben ist zwar kein striktes Tabu, aber aus meiner Erfahrung versuchen die meisten Mitarbeiter, nicht über die Belastungen in den Familien zu reden. Es wäre jedoch wichtig, das Thema zu enttabuisieren – immerhin ist es für Familien ein echter Balanceakt, Homeoffice für ein oder beide Elternteile zu stemmen, wenn es coronabedingte Schließungen von Kita oder Schulen gibt.


Redaktion: Wo liegt aus Ihrer Sicht das Hauptproblem?

Susanne Laß: Auch wenn Kinder bei der Arbeit zuhause ein echter Stressfaktor sein können: Manchmal kann es sein, dass die Kinder nur der Auslöser für andere schwellende Konflikte in der Familie sind. Beispielsweise kann es sein, dass in der Beziehung zwischen den Partnern schon vor der Coronakrise ein Knacks war und man lebte mehr oder weniger nebeneinander her. Und nun ist Homeoffice angesagt, der Freiraum ist eingegrenzt, man sitzt sozusagen aufeinander und so ist man plötzlich mit der Frage konfrontiert: Wo stehe ich bzw. wo stehen wir eigentlich mit unserer Partnerschaft?

Vor diesem Hintergrund erleben wir manchmal, dass die Kinder als Problem genannt werden, aber die Ursache möglicherweise in der Partnerschaft versteckt ist. Das ungewohnt enge Zusammenleben hat im besten Fall zum gemeinsamen Bilanzziehen geführt, wo man in der Beziehung miteinander steht. Im schlimmsten Fall führt es dazu, dass es in Familien zu verbaler oder sogar körperlicher Gewalt kommt. Daher ist es aus unserer Erfahrung wichtig, im Blick zu behalten, was mit der Paar-Beziehung ist und ob zunächst hier Probleme zu lösen wären.


Redaktion: Muss ich oder kann ich mit Kindern über die Probleme durch Corona reden?

Susanne Laß: Diese Unsicherheit, „Was darf ich meinem Kind sagen?“, „Darf ich über meine eigenen Sorgen und Ängste mit meinem Kind reden?“, erleben wir in unserem Beratungsalltag ebenfalls sehr oft.

Grundsätzlich hängt es natürlich vom Alter und Entwicklungsstand des Kindes ab. Die Frage ist, was das Kind verstehen und verarbeiten kann; das Gespräch sollte dem Alter entsprechend angemessen sein. Bei kleineren Kindern darf man durchaus sagen, dass Mama und Papa sich Sorgen machen und dass sie deshalb manchmal ein bisschen vorsichtig oder traurig sind. Bei größeren Kindern kann man offener darüber reden, wie die Corona-Krise auf die Eltern wirkt – aber auch hier ist wichtig, dass die Kinder nicht zum Ersatz-Psychologen für die Eltern werden.

Ein wichtiger Punkt im Lockdown ist, die Tagesstruktur möglichst beizubehalten. Das heißt, es gibt wie gewohnt morgens ein gemeinsames Frühstück, danach geht jeder an sein Tagespensum. Für das Familienleben ist von großer Bedeutung, an gewohnten Schlafens- und Essenszeiten festzuhalten und auch möglichst viele weitere Gewohnheiten zu praktizieren – wenn das Kind üblicherweise freitags um 16 Uhr zum Judo oder zum Fußball gegangen ist, dann machen Sie zur gewohnten Zeit ein ähnliches Sportprogramm wie zum Beispiel laufen gehen.


Redaktion: Welche Fragen kommen noch aus Familien mit Kindern?

Susanne Laß: Ein weiteres Phänomen, das auftreten kann: manche Kinder reagieren mit regressiven Verhalten, also Verhalten, das ihrem Entwicklungsstand nicht mehr angemessen ist. Beispielsweise, wenn Kinder jetzt wieder bei den Eltern im Bett schlafen möchten. Wir raten in diesem Fall, den Wunsch oder das Bedürfnis zunächst zu akzeptieren. Das soll aber kein Dauerzustand werden. Sinnvoll wäre daher, mit dem Kind zu reden und zu schauen, wie es die Situation verarbeitet, woher seine Sorgen herkommen und wie Sie gemeinsam damit umgehen können.


Redaktion: Was raten Sie zum Thema Medienkonsum?

Susanne Laß: Je nach Alter der Kinder sollte man bei Nachrichten überlegen, mit welchen Inhalten man Kinder konfrontiert. Geht es beispielsweise um die Frage, warum alle Menschen jetzt Maske tragen müssen, sind ruhige und sachliche Erklärungen wichtig. Nachrichtenkanäle, die Ängste wecken oder schüren, sollte man eher meiden.

Bei älteren Kindern sind Computerspiele ein großes Thema geworden. Hier stellen wir fest, dass Eltern von den Kindern oft als Vorbild genommen werden und daher zu empfehlen ist, auf das eigene Verhalten zu achten. Wenn Sie nicht am Computer arbeiten müssen und selbst Freizeit haben, dann gehen Sie mit Ihren Kindern raus, das ist die beste Möglichkeit, übermäßiger Computerzeit entgegenzuwirken. Am besten probieren Sie auch das Handy zu Hause liegen zu lassen, um sich wirklich den Kindern mit voller Aufmerksamkeit zu widmen.


Redaktion: Was empfehlen Sie für den „worst case“, wenn eine Familie in häusliche Quarantäne gehen muss?

Susanne Laß: Wenn aufgrund eines Corona-Kontaktes die ganze Familie in häuslicher Quarantäne bleiben muss, ist das für alle Beteiligten hart. Während größere Kinder sich besser beschäftigen können, stellt sich die Frage, wo jüngere Kinder ihren Bewegungsdrang ablassen können. Und was kleineren Kindern ebenfalls unmöglich ist oder schwerfällt: sie können den Zeitrahmen noch nicht begreifen. Malen Sie zum Beispiel einen Kalender und streichen Sie - ähnlich einem Adventskalender - jeden Tag der Quarantäne ab, sodass die Zeitspanne für Ihr Kind greifbarer wird.

Natürlich brauchen Kinder auch einen Ausgleich für die Bewegung, die auch in einer 3-Zimmer-Wohnung in der Stadt möglich ist. Allein schon das traditionelle „Gummitwist“ bietet recht viel Bewegung, hilfreich kann auch ein kleines Trampolin im Zimmer sein.

Glücklicherweise finden sich im TV oder online Sportprogramme für Familien mit Kindern. Oder vielleicht sind Sie in einem Sportverein, der inzwischen ein Online-Angebot hat? Falls nicht, so finden sich auch auf YouTube sehr viele Videos mit Yoga- oder Fitnesskursen, bei denen auch kleine Kinder mitmachen können.

Außer Bewegung ist aber auch geistige Beschäftigung notwendig: geben Sie Ihren Kindern dem Alter entsprechende Aufgaben, ob Ausmal-Übungen oder Knobel-Aufgaben.


Redaktion: Wie schafft man das alles neben der Arbeit im Homeoffice?

Susanne Laß: Hier greift wieder das gewohnte Strukturieren: Geben Sie eine räumliche Struktur, indem Sie sagen, in dieser Ecke wird gearbeitet, in jener wird gespielt. Geben Sie eine Zeitstruktur vor, indem es beispielsweise heißt, von 8 bis 12 Uhr arbeiten die Eltern, in dieser Zeit müssen sich die Kinder weitgehend selbst beschäftigen, dafür gibt es dann am Nachmittag gemeinsame Familienzeit.

Wenn Sie eine Telefon- oder Videokonferenz haben, dann vereinbaren Sie mit den Kindern ein bestimmtes Zeichen, zum Beispiel hängt ein Schild an der Tür mit „Bitte nicht stören“ und wenn die Konferenz vorbei ist, wird das Türschild wieder umgedreht. Geben Sie den Kindern eine Beschäftigung und schauen Sie regelmäßig, wie es bei ihnen läuft. Mit dieser Struktur schaffen Sie sich Freiraum für Ihre Arbeit.

Wenn es am Nachmittag gar nicht mehr läuft, könnten Sie Ihre Arbeit erst einmal beiseitelegen und liegengebliebene Dinge abends erledigen, wenn die Kinder im Bett sind und Sie Ihre Ruhe haben. Falls es möglich ist, wäre aber noch viel wichtiger, die Zeit abends für sich zu nutzen und sich selbst etwas Gutes tun. Immerhin müssen Sie Kraft tanken für den nächsten Tag!


Redaktion: Dieses „Für sich selbst etwas tun“ ist ein gutes Stichwort ...

Susanne Laß: ... das darf nicht zu kurz kommen! Das größte Problem dürfte die Entgrenzung sein, also die fehlende Grenze im Homeoffice zwischen Berufs- und Familienleben mit Einkaufen, Kochen, Haushalt usw. Da vergessen Beschäftigte schnell, regelmäßig Pausen z. B. zwischen den Videokonferenzen zu machen.

Wenn wir das „Für sich selbst sorgen“ beherzigen, haben wir auch wieder neue Energie, um gut für unsere Kinder zu sorgen. Daher sollte man im Homeoffice aufpassen, nicht in die sogenannte „interessierte Selbstgefährdung“ zu rutschen. Damit ist eine Art von Selbstausbeutung gemeint, die aus einem hohen Interesse an der Arbeit und an der Karriere resultiert. Hier können wir nur dringend raten, auf Anzeichen der psychischen Überlastung zu achten. Abschalten zu können, fängt damit an, dass das Wochenende arbeitsfrei gehalten wird und auch in der Woche ein regelmäßiger Ausgleich zum Arbeiten zelebriert wird und dies auch gegenüber dem Arbeitgeber kommuniziert wird.

Die psychische Gesundheit ist wichtig, um als Familie zu funktionieren. Bevor jemand in eine depressive Verstimmung rutscht, ist es wirklich besser, vorher die Reißleine zu ziehen und zu verschnaufen. Manchmal sind wir so überlastet, dass plötzlich Themen hochkommen, mit denen man sich vorher nicht beschäftigt hat. In diesem Fall ist es wichtig, ehrlich zu sein, sich einzugestehen „ich kann nicht mehr“ und sich externe Hilfe zu holen, bevor jemand komplett ausfällt – denn damit ist am Ende niemandem geholfen!

Am Ende einer Quarantäne wäre eine gute Idee, die Kinder wieder in die Kita oder in die Schule zu schicken und sich zwei Tage Urlaub zu nehmen. Einfach den Freiraum nutzen, um etwas für sich allein tun, egal ob joggen oder shoppen, einfach das machen, was einem gut tut!

Bei inneren Widerständen gegen eine Auszeit sollten Sie sich vor Augen halten: aktuell erleben wir eine kollektive Stresssituation und ich bin mir sicher, dass eine Führungskraft hohes Verständnis für belastete Mitarbeiter hat – womöglich kennt er oder sie diese Situation von zuhause selbst allzu gut!

Und apropos Führungskräfte: Auch diese sollten auf die Gesundheit achten und Vorbild sein. Neulich habe ich in der Telefonkonferenz bei einem anderen Unternehmen eine Führungskraft erlebt, die stark erkältet an der Telefonkonferenz teilgenommen hat. So löblich dieses Engagement auf den ersten Blick sein mag – aber damit werden auch Maßstäbe für die Mitarbeitenden gesetzt. Wenn der Chef / die Chefin krank arbeiten kann, muss der Mitarbeitende davon ausgehen, dass er im Homeoffice ebenfalls während einer Erkrankung weiterarbeiten sollte. Wer krank ist, sollte sich krankschreiben lassen und sich auskurieren – auch im Homeoffice!

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