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Erfahrung zählt: Ältere Beschäftigte als Gewinn für die Arbeitswelt

Angesichts des Fachkräftemangels können Unternehmen auf ältere Beschäftigte nicht verzichten – und sie sollten es auch nicht. Andernfalls bleiben wertvolle Ressourcen ungenutzt, sagt BAD-Arbeitsmedizinerin Dr. Alexandra Schaefer. Eine altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung hebt die besonderen Stärken älterer Arbeitnehmender und und kompensiert potenzielle Schwächen.

Ältere Menschen verfügen über einen großen Erfahrungsschatz – allein bedingt durch die Anzahl der Lebensjahre haben sie sich oftmals eine Fülle von Kenntnissen, Fertigkeiten und Wissen aneignen können.

Dieser Erfahrungsschatz – oder die sogenannten kristallinen Fähigkeiten – entpuppen sich als wahre Schatzkiste, wenn es um Routinetätigkeiten geht. Dadurch gelingen viele Abläufe „wie von selbst“, so dass etwaige körperliche Leistungseinbußen durch vorhandene Erfahrung kompensiert werden können. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass ältere Menschen ausreichend Handlungsspielraum bekommen, um physische Leistungseinbußen ausgleichen zu können.

Während die Physis mit dem Alter nachlässt, können sich mentale Fähigkeiten im Alter sogar noch vermehren. Tatsächliche Leistungsabfälle am Arbeitsplatz sind daher nicht grundsätzlich altersbedingt und eher ein multifaktorielles Geschehen.
 

Gelassenheit des Alters statt jugendlicher Heißsporn

Wenn Schwierigkeiten auftreten, die nicht mit der Standardlösung bewältigt werden können, hilft oft die gesammelte Erfahrung weiter. Ältere Menschen können auf bereits etablierte Lösungsstrategien zurückgreifen und damit möglicherweise kompetenter als Jüngere zu einem guten Resultat kommen.

Zudem nehmen im Alter soziale Kompetenzen und Selbstmanagement-Fähigkeiten zu. Ältere Menschen sind oft besser vernetzt als jüngere, was sich positiv auf den Aufbau und die Pflege von Netzwerken auswirkt. Auch das Verarbeiten und Regulieren von Emotionen gelingt im Alter besser als in jungen Jahren. Ausdrücke wie „jugendlicher Heißsporn“ und “Gelassenheit des Alters” haben also ihre Berechtigung.

Dazu kommt, dass ältere Menschen besser mit Ambivalenzen und mehrdeutigen Situationen umgehen können als jüngere. So verfügen ältere Arbeitnehmende häufiger über die Kompetenz, komplexe Sachverhalte zu lösen, den Überblick zu behalten und mit konfliktreichen Situationen umzugehen. Im Arbeitsleben zeigt sich, dass ältere Menschen über eine höhere intrinsische Motivation verfügen.

Während jüngere Menschen auf viele weitere Themen wie Familiengründung, Wohnungsbau, Vermögensaufbau und Karriereoptionen fokussiert sind, stellen ältere Beschäftigte möglicherweise die Selbstverwirklichung im Arbeitsprozess in den Vordergrund. Hier liegt der Grundstein für eine höhere Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz im Alter. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Generativität: das Bestreben, etwas zu schaffen, das der nachkommenden Generation zugutekommt – sowohl privat als auch im Arbeitsleben.

Unverändert bleiben im Alter übrigens die Kreativität und die objektive Innovationsfähigkeit, so dass das Arbeiten in diesem beruflichen Feld eben auch in höherem Lebensalter gut möglich ist. Wie aber sieht es mit Lernprozessen aus? Hier hat sich gezeigt, dass Lernen im Alter durchaus möglich und wichtig ist. Auch bei älteren Menschen wachsen entsprechende Hirnregionen an und es sind positive Effekte sichtbar. Allerdings scheint dies etwas mehr Zeit und mehr Übung zu brauchen als in jungen Jahren.

Da Ältere leichter ablenkbar sind (präziser gesagt: mehr Aufmerksamkeit auch auf irrelevante Informationen legen) als junge Menschen, empfiehlt es sich, auch eine entsprechende Lernumgebung zu schaffen. Je sinnvoller ein Lernziel erscheint, je mehr positive Emotionen damit verknüpft sind, desto leichter wird es auch erreicht. Dies scheint sowohl für Jung und Alt zu gelten.

Trotz Einbußen im Alter ist das hohe Lebensalter nicht nur eine Zeit des Zerfalls und Abbaus, sondern auch eine Phase der Stabilität und der Erfahrungsfülle. Wenn beide Aspekte berücksichtigt werden, kann es gelingen, Arbeitsplätze für ältere Menschen so zu gestalten, dass ihre Ressourcen optimal genutzt und vorhandene Defizite ausgeglichen werden.


Wie bleiben wir fürs Arbeitsleben fit?

Klar ist: Der Renteneintritt der Baby Boomer und der generelle Rückgang an Nachwuchs verschärfen den Fachkräftemangel. Damit die Rente noch finanzierbar ist, wurde das offizielle Renteneintrittsalter auf 67 Jahre gehoben, das reale Renteneintrittsalter lag 2022 im Durchschnitt bei 64,4 Jahren – ein Plus von ca. 2 Jahren im Vergleich zur Jahrtausendwende. In den letzten zehn Jahren hat daher auch die Erwerbstätigkeit der 60- bis 64-Jährigen zugenommen wie bei keiner weiteren Gruppe auf dem Arbeitsmarkt: Von 47 Prozent im Jahr 2012 stieg sie auf 63 Prozent im Jahr 2022. Und auch der Anteil der 65- bis 69-Jährigen ist gestiegen und lag 2022 bei 19 Prozent.

Neben der Integration älterer Menschen in das Arbeitsleben müssen wir gleichzeitig dafür sorgen, dass Arbeitnehmende während ihres gesamten Berufslebens gesund und fit bleiben. Nur so können Menschen auch im höheren Alter aktiv im Beruf bleiben. Dies erfordert ein Umdenken in vielen Branchen und eine veränderte Lebensplanung für die Individuen.

Altern ist ein biologischer Prozess, der weder aufzuhalten noch umzukehren ist. Diese Prozesse sind individuell und werden von äußeren Faktoren wie Lebensstil und Umwelt sowie von unserer Genetik bestimmt. Lange Zeit wurde das Altern nur mit Abbau, Verfall und Defiziten in Verbindung gebracht.

Tatsächlich nehmen körperliche Ressourcen im Alter ab: Unsere maximale Belastbarkeit ist geringer als in jungen Jahren und das generelle Leistungsvermögen sinkt. Schwere körperliche Arbeiten sind für ältere Menschen oft nicht mehr zu bewältigen, da die physiologische Leistungsfähigkeit ihre Grenzen hat und respektiert werden muss. Dennoch ist das Bild des Alterns als reiner Verfall einseitig und möglicherweise stark überzeichnet. Zunehmend beschäftigen sich aktuelle Forschungen mit den Stärken des Alters, insbesondere wenn es darum geht, diese ins Arbeitsleben zu integrieren.

Die Vorstellung, dass ältere Menschen den Arbeitsmarkt bereichern können und ein Verbleib im Berufsleben gewinnbringend ist, fordert uns dazu auf, Möglichkeiten für eine altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung auszuloten.


Dieser Beitrag erschien zuerst bei haufe.de

 

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