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Das geht durch Mark und Bein

Das geht durch Mark und Bein

Arbeitnehmer*innen können oftmals mechanischen Schwingungen ausgesetzt sein - womöglich verbunden mit fatalen gesundheitlichen Folgen. BAD-Arbeitsmedizinerin Dr. Steffi Hesselbach erklärt, was Betriebe den Vibrationen entgegensetzen können.

  Wo begegnen uns Vibrationen und Schwingungen?

 Dr. Steffi Hesselbach: Schwingungen von handgeführten Maschinen kennen viele auch aus dem Haushalt: Bohrer und Handmixer bringen Hand und Arm zum Vibrieren. Im Garten sind das der Rasenmäher, Trimmer oder die motorisierte Heckenschere. Bei Rüttelplatten und Vibrationsstampfern kommt es auch im Heimbereich schon zu deutlichen Vibrationen.
Da Häufigkeit und Dauer neben der Frequenz und Richtung eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die körperlichen Belastungen geht, sind die Vibrationen am Arbeitsplatz natürlich noch einmal ganz anders zu bewerten als der private Einsatz.


  Welche Art von Vibrationen gibt es am Arbeitsplatz?

 Dr. Steffi Hesselbach: Wir unterscheiden danach, an welchen Stellen die Vibration in den Körper eintritt. Das sind bei der Ganzkörper-Vibration vornehmlich der Rücken, das Gesäß und die Füße. Der Bagger ist hier im Gegensatz zum Bus oder Taxi ein typisches Beispiel für ein belastendes Fahrzeug. Bei der Hand-Arm-Vibration treten die Schwingungen – wie der Name schon sagt – über die Hand ein und sind bis in den Arm spürbar. Besonders betroffen sind Beschäftigte in der Baubranche – insbesondere im Straßenbau –, in Gärtnereibetrieben und Steinmetze.


  Was macht das mit den Menschen, die diese Geräte bedienen?

 Dr. Steffi Hesselbach:Jeder Körper hat eine eigene Schwingung und man weiß, wenn verschiedene Schwingungskomponenten zusammengeraten, dann entsteht eine Disharmonie. Im Arbeitsschutz messen wir daher neben der Schwingungsdauer auch die Frequenz, also wie schnell eine Maschine in der Sekunde hin und her schwingt. Ist die Frequenz zu hoch oder zu niedrig, besteht die Gefahr, dass die unterschiedlichen Schwingungen von dem eigenen Körper und der einwirkenden Maschine Zell- und Gefäßwände traktieren und so zu Knochen-, Gefäß- und Nervenschädigungen führen. Außerdem schauen wir uns die Richtung an, mit der eine Vibration den Körper durchdringt, und ob die Schwingungsart stoßhaltig ist.


  Welche gesundheitlichen Folgen können Vibrationen am Arbeitsplatz haben?

 Dr. Steffi Hesselbach:Ein klassisches Krankheitsbild ist die sogenannte Weißfingerkrankheit. Ist ihre Ursache das vibrationsbedingte vasospastische Syndrom, kurz VVS, verengen sich die Gefäße reflektorisch aufgrund des Vibrationsreizes. So werden die Fingerkuppen nicht mehr richtig durchblutet. Vollausgeprägt wird VSS bei bestimmten Berufsgruppen als Berufserkrankung anerkannt. Co-Faktoren, also die Krankheit unterstützende Faktoren sind Kälte und Nikotinkonsum.


  Sehen Sie das häufiger in Ihrem Berufsalltag?

 Dr. Steffi Hesselbach:In letzter Zeit nicht mehr. Die Erkrankungen im Berufsbereich sind erfreulicherweise deutlich zurückgegangen, weil die Technischen Regeln, Betriebsanweisungen und Schutzmaßnahmen greifen. Es gibt über die Jahre insgesamt weniger Meldungen zu vibrationsbedingten Berufserkrankungen, was als Erfolg der Arbeitsmedizin und der Arbeitssicherheit anzusehen ist. Vor dem Hintergrund des Facharbeitermangels ist jeder Betrieb froh, wenn er seine Facharbeiterinnen und Facharbeiter lange und gesund halten kann.


  Welche Erkrankungen, Beschwerden können noch entstehen?

 Dr. Steffi Hesselbach:Vibrationen können plötzlich auftretende akute Erkrankungen auslösen und langfristig chronische Erkrankungen. Zu den akuten Erkrankungen zählen etwa allgemeines Unwohlsein, bei empfindlichen Personen auch Gleichgewichtsstörungen, Bewegungskrankheiten wie Seekrankheit, schmerzhafte Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, Verdauungsstörungen und eben das vasospastische Syndrom. Über Monate beziehungsweise Jahre hinweg können sich degenerative Erkrankungen an Knochen, Bändern und Gelenken manifestieren, etwa an den Bandscheiben. Die negativen Schwingungen greifen Knorpel an; Gelenke werden stark beansprucht, was zur Arthrose führen kann.


  Was können Arbeitgeber tun, um solchen Folgen entgegenzuwirken?

 Dr. Steffi Hesselbach:Zunächst einmal sind Arbeitgeber verpflichtet, die Grenzwerte für Vibration innerhalb der Gefährdungsbeurteilung ermitteln zu lassen. Die Berechnungsgrundlage und auch mögliche Maßnahmen sind nachzulesen in den Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV), worin die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) konkretisiert wird.


Um die Gefährdung zu minimieren oder zu bannen, greift – wie prinzipiell überall im Arbeitsschutz – die TOP-Regelung; zuerst sollten technische Maßnahmen zum Einsatz kommen, dann die organisatorischen und zum Schluss die persönlichen.


So beginnt die Prävention bereits bei der Beschaffung von vibrationsarmen Maschinen. Ist das nicht möglich, sollten Beschäftigte beispielsweise durch einen Rotationsplan nur bedingt lange und bedingt oft dieser Vibration ausgesetzt werden. Zu den persönlichen Schutzmaßnahmen bei Ganzkörper-Vibrationen zählen Schwingsitze. Die müssen auf das Gewicht des Fahrers oder der Fahrerin angepasst sein und können die Vibration abpolstern.


  Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Wie können sie selbst ihre Gesundheit in die Hand nehmen?

 Dr. Steffi Hesselbach:Das Tragen der PSA (Persönlichen Schutzausrüstung) ist wesentlich; im Lärmbereich ist das der Gehörschutz, im Staubbereich die Maske. Und bei Vibrationsgefahr sollten sich die Kollegen auch untereinander absprechen und sich abwechseln, Pausen einlegen. Ganz wichtig ist auch: Die Geräte sollten immer fachgerecht angewandt werden. Gerade bei Beschwerden im Muskel-, Bänder- und Gelenk-Bereich ist es immer zielführend, wenn Beschäftigte einen gesunden Ausgleichssport treiben.

Schließlich sind Vibrationsstörungen Erkrankungen, die das Muskelband und Gelenksystem betreffen. Wenn dieses mit einer gesunden ausgewogenen Ernährung und Sport gekräftigt wird, dann habe ich der Vibration natürlich viel mehr entgegenzusetzen. Oft höre ich: „Ich muss schon so hart arbeiten auf Arbeit, ich brauche keinen Sport.“ Aber das ist das Fehldenken: Die starke körperliche Belastung der Arbeit ist kein Sport.


  Gibt es bestimmte Sportarten, die Sie dann empfehlen?

 Dr. Steffi Hesselbach:Die Klassiker Nordic Walking und Spazierengehen auch bei ganz normalem Tempo. Das kann jeder und jede umsetzen, und es ist gesund. Joggen ist sehr gut für das Herz-Kreislaufsystem, ist aber nicht jedermanns Sache und kann negative Auswirkungen auf die Gelenke haben. Das Gute beim Joggen ist jedoch, dass man nicht viel Equipment für diesen Sport braucht, sondern ihn schnell und immer auch mal für kurze Intervalle umsetzen kann.

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Weiterführende Informationen rund um den Arbeitsschutz lesen Sie in unserem Dossier

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