Stress
Stress liegt vor (Lazarus, 1966), wenn bestimmte Reize eine Bedrohung auslösen. Dabei muss es dem Individuum möglich sein, kognitiv den Reiz oder ein Zeichen als Bedrohungsauslöser zu erkennen. Die von Reizen ausgelöste Bedrohung aktiviert Maßnahmen zu ihrer Bewältigung.
Alltagssprachlich wird mit dem Begriff Stress eine Vielzahl psychischer und physischer Belastungs- und Beanspruchungsphänomene angesprochen. In der Wissenschaft beschränkte man ursprünglich den Stressbegriff auf einschneidende Ereignisse wie Kampfhandlungen, Störfallsituationen in kritischen Produktionsanlagen (Chemie- und Kernkraftanlagen) oder spezielle Situationen wie Schlafentzug.
Im Lauf der Zeit wurde der Stressbegriff fast inflatorisch auf eine Vielzahl von Phänomenen ausgeweitet, z. B.:
- Routine in automatisierter Produktion
- belastende Arbeitsbedingungen aller Art
- Arbeitsverdichtung
- Umgebungsbedingungen wie Lärm, Klimafaktoren am Arbeitsplatz, Vibrationen
- Überforderung in breiten Anforderungsbereichen
- Gefahren
- Monotonie, Vigilanz.
In der nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) geforderten Gefährdungsbeurteilung sind psychische und physische Belastung und Beanspruchung ein Aspekt der Arbeit, der zu analysieren ist. Stress stellt dabei einen der wichtigen Risikofaktoren für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten dar. In den Anleitungen zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen der Berufsgenossenschaften und Fachinstitutionen finden sich gute Darstellungen der Stress erzeugen Faktoren sowie Maßnahmen zu deren Minderung. Maßnahmen zum Stressabbau erfordern in der Regel die Mitwirkung der Betriebsräte. Viele Betriebsräte haben sich in der Vergangenheit intensiv für die Verringerung psychischer Belastungen der Arbeitnehmer eingesetzt.
Die DIN 33 405 - "Psychische Belastung und Beanspruchung" - definiert einige der Stress auslösenden Faktoren (Stressoren (Abbildung)), die im Arbeitsleben häufig auftreten. Daraus lassen sich überwiegend technisch orientierte Lösungsansätze zu deren Beseitigung bzw. Reduktion ableiten.
Im arbeitswissenschaftlich eingeführten Belastungs- und Beanspruchungsmodell werden "Belastungen und/oder Stressoren als Stimuli aufgefasst, die als Anforderungen der Umgebung oder der Tätigkeit auf eine Person einwirken und über einen angebbaren Zeitraum eine bestimmte Intensität überschreiten. Die Stressoren oder Belastungen führen zu Reaktionen, die als Beanspruchung, Stressreaktionen oder Stressfolgen bezeichnet werden." (Antoni/Bungard, 1989)
Stress ist einer der wesentlichen Hindernisfaktoren für qualitätsgerechte Aufgabenausführung und eine Quelle für Ineffektivität und Fehler. Stress beeinflusst Affekte und Leistungsfunktionen des Menschen zum Teil erheblich, selbst Krankheiten können ausgelöst werden. Motorische Reaktionen, Wahrnehmungsänderungen, kognitive Prozesse und das Problemlöseverhalten ändern sich unter Stress. Leistungseinbußen sind ebenso möglich wie Leistungssteigerungen bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten. In der Sicherheitsforschung lässt sich eine Zunahme der Fehlerhäufigkeit bei industrieller Tätigkeit unter Stress belegen.
Bewältigungsstrategien des Individuums gegenüber Stress sind uneinheitlich. Unter bestimmten Bedrohungen wird der Mensch u. U. handlungsunfähig. Bewältigung von Stress kann - in Abhängigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen und situativen Faktoren - vielfältige Ausdrucksformen finden, z. B.:
- Attackieren oder Vermeiden von Bedrohungsquellen
- mit Affekten reagieren
- Abwehrmechanismen entwickeln
- realitätsgerecht oder irrational reagieren
- mit Krankheit reagieren.
Erfolgreiche Stressbewältigungsstrategien und Anti-Stresstraining finden sich insbesondere dort, wo die Bedrohungspotenziale für den Menschen gut eingrenzbar und die situativen Bedingungen weitgehend bekannt sind, z. B.:
- Auseinandersetzung von Polizisten mit bewaffneten Tätern, Geiselnehmern
- Bedienung kritischer technischer Anlagen
- Verhalten bei Betriebsstörungen, Störfällen
- Weltraumfahrt, kritische Flugsituationen.
In der Mitarbeiterschulung werden überwiegend personenbezogene Konzepte zur Stressbewältigung angeboten. Solche Ansätze zur Prävention sind z. B.:
- Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Transzendentale Meditation, Biofeedback-Methoden und andere Entspannungsverfahren
- Methoden der kognitiven Restrukturierung wie die Rational Emotive Therapie von Ellis, Stress-Inokulationstraining von Meichbaum
- Verhaltensmodifikations-Methoden.
Geht man davon aus, dass der Arbeitsorganisation und Arbeitsumgebung eine tragende Rolle bei der Entstehung von Stress und psychosomatischen Beschwerden zukommt, sind Veränderungen zur Stressreduktion in den Betrieben höchste Priorität einzuräumen, etwa durch Maßnahmen der Ergonomie, der Personalführung, der Arbeitszeit- und Arbeitsumgebungsgestaltung, der Arbeitsstrukturierung (Teamarbeit, Gruppenarbeit). In neuerer Zeit entwickelte Unternehmensstrategien gegen Mobbing stellen ein Beispiel für die Handlungsmöglichkeiten und -schwierigkeiten zur Reduzierung von Stress dar. Stressabbau ist eine wichtige Voraussetzung für Qualitätsmanagement und damit auch für Sicherheitsmanagement.
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