Nacht- und Schichtarbeit
Rund 15,5 % der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten nach Angaben des Statistischen Bundesamts regelmäßig in Schichtarbeit (Stand: 2003). Somit hat sich diese Quote seit 1993 (9,7 %) deutlich erhöht. Dieser Zuwachs entspricht dem europäischen Trend. Lediglich in Dänemark ist der Anteil der schichtarbeitenden Erwerbstätigen gesunken. Deutschland gehört zu den EU-Ländern, in denen eher wenig in Schichten gearbeitet wird. Unter Männern ist Schichtarbeit etwas stärker verbreitet als unter Frauen.
Nacht- und Schichtarbeit beeinflusst die körperliche Steuerung biochemischer Parameter. Diese Parameter wiederum korrelieren zum Teil mit Leistungsparametern der Schichtarbeiter und weisen sinusförmige Verläufe über den Tag auf. Gestörte biologische Rhythmen können zu einer chronisch negativen Beeinflussung der Leistungsfähigkeit während der Nacht- und Schichtarbeit führen. Die Kenntnis des Verlaufs biochemischer Parameter liefert daher wichtige Hinweise auf Zeiten, in denen die Leistungsfähigkeit verringert ist, was z. B. durch organisatorische Maßnahmen im Betrieb berücksichtigt werden kann. Untersuchungen zur Analyse biochemischer Parameter, interindividueller Unterschiede bei den Morgen- und Abendtypen sowie das Auffinden neuer biochemischer Parameter können daher im Sinne der Arbeitssicherheit von großem Nutzen sein.
Für Wechselschichten und speziell auch für Nachtschichten werden Effekte auf den Schlaf beschrieben, die unmittelbar auf die Sicherheit und Effektivität der Beschäftigten einwirken, z. B. erhöhte Einschlafneigungen auf den Wegen von und zur Arbeit. Die Befundlage für verlängerte Arbeitsschichten (10 bzw. 12 Stunden) ist nicht einheitlich. Die Probleme besonderer Beschäftigten- und Altersgruppen (z. B. Pflegepersonal, Kraftfahrer) werden in der Fachliteratur häufiger diskutiert, die Bedeutung des persönlichen Lebensstils für die Wirkung von Schichtarbeit ist groß.
Bei Untersuchungen zur Veränderung der Leistung in Abhängigkeit von Nacht- und Schichtarbeit werden üblicherweise standardisierte Aufgaben gestellt, wie z. B. Reaktionszeittests oder Gedächtnisaufgaben. Untersuchungen zur Veränderung der tatsächlichen Arbeitsleistung fehlen weitgehend. Es zeigt sich, dass nachts tendenziell schlechtere Leistungen zu verzeichnen sind als tagsüber. Dies ist jedoch abhängig von der Art der untersuchten Leistung und von der Art der Tätigkeit. Vor allem bei körperlicher im Vergleich zu geistiger Tätigkeit kommt es nachts zu einer Leistungsverschlechterung. Eine Verlängerung der Schichten auf 12 Stunden führt in der Regel nicht zu einer Abnahme der Leistung. Es ist jedoch fraglich, ob die untersuchten Leistungsmaße die Leistungsveränderungen bei der tatsächlichen Arbeit zuverlässig und gültig widerspiegeln.
Die Sondersituation nachtarbeitender Mütter fällt insbesondere dadurch auf, dass sich Schlafquantität und -qualität deutlich verschlechtern. Allerdings sind die Studien, aus denen diese Aussage hervorging, noch nicht hinreichend quantitativ untermauert. Die Arbeitszeiten wirken sich auf die Teilhabe und das Engagement der Betroffenen innerhalb von Sozialbeziehungen aus. Auch das familiäre Umfeld ist hiervon betroffen. Nacht- und Schichtarbeiter sind auch in Vereinen, Parteien und Kirchen gerade in höheren Funktionen durch ihre veränderte Tagesstruktur unterrepräsentiert. Eine weitere Folge des Verlustes an sozial wertvoller Zeit ist eine Abnahme der sozialen Unterstützung.
Aus der Fachliteratur können Empfehlungen zur Gestaltung der Arbeitszeit abgeleitet werden. Den folgenden Empfehlungen schließt sich die Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) überwiegend an:
1. Aus Statistiken über das Unfallgeschehen in Deutschland lässt sich ableiten, dass die tägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten sollte, da nach der 8. Arbeitsstunde die Wahrscheinlichkeit für einen Arbeitsunfall signifikant ansteigt. Arbeitszeiten bis hin zu 12-Stunden-Schichten, wie z. B. in den USA verbreitet, sind hinsichtlich der in den meisten Studien gewählten Leistungsparameter unproblematisch. Der Widerspruch zwischen diesen Befunden und den Unfallstatistiken könnte dadurch erklärt werden, dass die gewählten Leistungsmaße nicht die Leistung in der eigentlichen Arbeitsaufgabe widerspiegeln. So werden z. B. Ermüdungszustände als Mitursache von Unfällen durch diese Leistungsparameter nicht erfasst.
2. Wechselschichten sind permanenten Nachtschichten vorzuziehen. Sie sollten schnell vorwärts rotierend gestaltet werden. Bei der Festlegung des Beginns der Frühschicht und des Endes der Nachtschicht sollte das Alter der Arbeitenden berücksichtigt werden.
3. Ältere Menschen - als Grenze gilt hier etwa das 40. Lebensjahr - sind eher für permanente Frühschichten als für Wechsel- oder Nachtschichten geeignet.
4. In Studien zur Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit von Nacht- und Schichtarbeit wurde in der Regel nicht die Leistung bei der eigentlichen Tätigkeit gemessen, sondern es wurden künstliche Aufgaben vorgegeben (oftmals Reaktions- oder Gedächtnisaufgaben). Die bisherigen Ergebnisse zu diesen Leistungsparametern belegen, dass nachts die Leistungsfähigkeit des Menschen bei körperlicher Tätigkeit stärker als bei geistiger abnimmt. Dementsprechend sollten - soweit möglich - fehlerkritische und körperlich schwere Tätigkeiten möglichst tagsüber und nicht nachts verrichtet werden.
5. Nacht- und Wechselschichten wirken sich ungünstig auf den Schlaf aus. Eine Verlängerung der Arbeitszeit kann sich nur dann eher positiv als negativ auswirken, wenn auf eine begrenzte Anzahl von Arbeitstagen (3-4) mehrere (möglichst 4) freie Tage zur Erholung folgen.
6. Nacht- und Schichtarbeit kann zu ungünstigen sozialen Folgen bzw. Belastungen führen, die wiederum auf die Sicherheit einwirken. Personen mit starker persönlicher Sozialbelastung sind für Nacht- und Schichtarbeit daher eher ungeeignet. Es empfiehlt sich deshalb, diese erst nach einem ausführlichen klärenden Gespräch zu beschäftigen.
7. Nacht- und Schichtarbeitende sollten physisch und psychisch fit bleiben. Individuell angepasstes Freizeit-, Schlaf- und Ernährungsverhalten, die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, aber auch die kognitive Auseinandersetzung mit Problemen von Nacht- und Schichtarbeit können dazu beitragen.
8. Biochemische Parameter bestimmen neben einigen äußeren Faktoren die circadiane Rhythmik und wirken sich so auf Leistung und Sicherheit des Menschen aus. Eine Beeinflussung der körpereigenen Zeitgeber durch die Einnahme entsprechend hormonal wirkender Medikamente ist nicht zu empfehlen.
Quellen
www.arbeit-und-gesundheit.de