Zug um Zug Sicherheit
Die knallrot lackierte Diesellok wiegt fast 60 Tonnen. Trotzdem scheint sie beinahe schwerelos – aufgehängt an vier dicken Eisenketten – durch die Industriehalle zu schweben. Der unter dem Hallendach montierte Kran hievt den Stahlkoloss weiter auf die nächste Arbeitsposition. Hier stehen vier Monteure bereit, damit die Lok gut und sicher auf den dafür vorgesehenen Böcken aufsetzt.
Von wegen, altes Eisen!
Etwa 50 Diesellokomotiven aus dem In- und Ausland werden jährlich bei der Alstom Lokomotiven Service GmbH in Stendal, einem Standort des großen französischen Lokomotiven-Herstellers, instandgesetzt und modernisiert. Nur rund 20 Prozent jeder Lok müssen am Ende erneuert werden, trotzdem müssen die Fahrzeuge fast vollständig zerlegt werden, bevor sie in den unterschiedlichsten Gewerken bearbeitet werden: sei es in der Schweißerei, in der Schmiede oder in der Lackiererei. Auch wenn die denkmalgeschützte Hülle des Werks es nicht vermuten lässt: Im Inneren der imposanten Backsteinbauten finden modernste technische Prozesse satt. So hat sich Alstom die Dekarbonisierung der Triebwagen zur Aufgabe gemacht. Und hier in Stendal wurde ein Prototyp für eine wasserstoffbetriebene Lok entwickelt und gebaut.
„Wir leisten hier so etwas wie professionelle technische Altenpflege“, erklärt Werksleiter Jörg Neubauer. Eine sehr anspruchsvolle Arbeit, mit einem im Vergleich zur herkömmlichen industriellen Serienfertigung sehr hohen Anteil an menschlicher Arbeit; der liegt hier bei 40 bis 50 Prozent. „Das Humankapital muss daher in guten Händen sein,“ ergänzt Neubauer. „Arbeits- und Umweltschutz ist also ein Zweck des Unternehmens. Dass keine weiteren Störungen auftreten, dass die Mitarbeiter gut durch den Tag kommen. Denn wir brauchen hier jeden!“.
Dass die 280 Beschäftigten wirklich sicher und gesund durch den Tag kommen, dafür sorgen auch die vier Kolleg:innen von BAD, die das Werk betreuen. Einer von ihnen ist Rüdiger Schulz. Seit rund 30 Jahren ist er Fachkraft für Arbeitssicherheit, seit etwa 18 Jahren berät und unterstützt er Alstom in Stendal als externe SiFa – gemeinsam mit Dr. Sarah Dünnhaupt, der EHS (Environment Health Safety)-Managerin des Werkes. In verschiedenen Aktionsplänen haben die beiden die Grundlage ihrer Arbeit festgehalten und für jeden Bereich einen eigenen Plan erstellt: von Ergonomie am Arbeitsplatz über den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen bis hin zum Explosions- oder Brandschutz oder der Erstellung von Flucht- und Rettungsplänen. Ob alle Maßnahmen gut umgesetzt werden, davon überzeugen sich Dr. Dünnhaupt und Schulz bei ihren wöchentlichen Begehungen.
Ergonomie: Auf die Haltung kommt es an
Die Demontagehalle, in der die Loks zu schweben scheinen, ist der vielleicht imposanteste Arbeitsbereich des Alstom-Werkes. Kaum ist die Lok sicher auf den Schwerlast-Unterstellböcken über der Grube abgesetzt, schwingt sich Benedikt Schröder die steinernen Stufen hinab in den Arbeitsbereich unter dem Triebwagen. Geschickt zwängt sich der 21-jährige Leiter der Demontageabteilung durch den schmalen Durchgang zwischen der Gitterumrandung der Grube und der massiven Kupplung mit den dicken Pufferbohlen. Schröder gehört zu den Jüngeren im Betrieb, es scheint ihm nichts auszumachen, sich wie ein Schlangenmensch in die Grube zu winden. Auf Dauer ist das natürlich nicht gut, erklärt Rüdiger Schulz. Ergonomie ist ein wichtiges Thema im Werk: „Die Gefährdungsbeurteilung hat ergeben, dass viele Beschäftige mit Muskel-Skelett-Problemen zu kämpfen haben. Die Schwere der Arbeit hat eben Spuren hinterlassen. Hier sind wir schon durch einige Maßnahmen proaktiv tätig geworden. Aber uns fällt immer wieder etwas auf, was noch optimiert werden kann.“ Der Arbeitsschutzexperte hakt daher sofort nach: Kann man die Lokomotive etwas weiter nach vorne stellen, so dass der Einstiegsbereich hinten größer und damit ein moderater Einstieg möglich wird? Nein! Aber der Gitterrost am Einstieg kann verkleinert und die Einstiegstreppe angepasst werden. Eine einfache Lösung, die schnell und kostengünstig umgesetzt werden kann. Die Empfehlung wird sofort in den Aktionsplan der Werksleitung übertragen.
Auch für die Arbeiten außen und oben an der Lok wurden die Arbeitsbedingungen optimiert: Um Fehlhaltungen zu vermeiden, wurden Treppen und separate Arbeitsbühnen angeschafft. „Vor allem für die Arbeiten an den Doppelstockwagen, die hier neuerdings auch aufgearbeitet werden, mussten wir nachrüsten“, erklärt Schulz. Für größtmögliche Sicherheit der Monteure sorgen außerdem variable Absturzsicherungen.
Alles im Blick
In der Lackiererei schaut Schulz als Erstes nach den Staubablagerungen. Denn bevor die Arbeiter in ihren Ganzkörper-Schutzanzügen und speziellen Visieren den Loks mit Spritzpistolen ihren neuen, glänzenden Look verpassen können, müssen die Fahrzeuge abgeschliffen werden. Hier macht es sich bezahlt, dass die eigens angeschafften Spezialsauger die Staubpartikel so gut aus der Luft filtern, dass sich nur geringste Ablagerungen an Wänden und Geräten wiederfinden. „Staub kann nicht nur zu gefährlichen Explosionen führen, sondern auch zu Gesundheitsschäden wie Lungen- und Hautkrebs oder Asthma“, erklärt Schulz. Hier kommt auch die Arbeitsmedizinerin Olga Levkovic ins Spiel. Die BAD-Kollegin betreut das Alstom-Werk arbeitsmedizinisch und schaut auch gemeinsam mit der SiFa zielgerichtet auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz im Werk, führt Begehungen durch und gewährleistet die erforderliche Untersuchungsmedizin.
Alstom Lokomotiven Service GmbH in Stendal
- 1873 als Centralwerkstatt für Lokomotiven und Wagen gegründet
- 1920 bis zur Wende Reichsbahnausbesserungswerk Stendal (RAW)
- ab 1975 Instandsetzung der ersten hydraulischen Diesellokomotiven
- 1994 übernahm die Deutsche Bahn AG das Werk im Zuge der Bahnreform
- ab 1998 als Schienenfahrzeugzentrum Stendal für die Instandhaltung von Lokomotiven und Triebzügen des Schienennahverkehrs der DB Regio verantwortlich
- 2002 stieg Alstom als Teilhaber ein und übernahm das Werk 2012 ganz
- heute arbeiten rund 280 Beschäftigte im Werk
4 BAD-Kolleg:innen betreuen das ALSTOM-Werk in Stendal mit folgenden Leistungen
- Arbeitsmedizin
- Arbeitsschutz
- Gefahrstoffmanagement
- Explosionsschutz
- Prüfung Explosionsschutzdokument
- Brandschutz / Beauftragter
- Sicherheitsgrafik
- Gesundheitsmanagement
- GB Psych
Spannende Aufgaben
Einer besonders spannenden Arbeit geht Wilhelm Lenz in der Batterie-Aufbereitungshalle nach. Er sorgt dafür, dass die Nickel-Kadmium-Akkus, die in die Hybridlokomotiven eingebaut werden, geprüft und sicher geladen werden. Beim Ein- und Ausbau der dicht nebeneinander liegenden Zellen kann es zu einem Kurzschluss und damit zu einem Lichtbogen kommen. Damit dieser im schlimmsten Fall nicht auf seinen Körper überspringt, trägt Lenz bei der Arbeit Spezialhandschuhe und eine dicke, langärmelige Schutzjacke. Ein tiefgezogenes Visier sorgt zudem dafür, dass keine Flüssigkeit ins Auge gelangen kann. Bevor dieser Bereich in Betrieb genommen wurde, haben Rüdiger Schulz und Sarah Dünnhaupt gemeinsam ein Layout und die Gefährdungsbeurteilung mit allen erforderlichen umzusetzenden Maßnahmen erstellt. Um die Sicherheit in der Halle noch weiter zu erhöhen – der erforderliche Luftaustausch ist bereits gegeben – hat Rüdiger Schulz nachdrücklich den Einbau einer Gaswarnanlage vorgeschlagen.
Wenn bei den Arbeiten Wasserstoff austritt, steigt dieser zur Hallendecke und kann mit der Luft ein explosionsfähiges Luft-/Gasgemisch (Knallgas) bilden. Die SiFa unterstützt nicht nur bei der Anschaffung und Installation solcher Sicherheitseinrichtungen, auch die Zuarbeit bei der Wartung und Reparatur gehört zu ihrem Portfolio. Selbst wenn Rüdiger Schulz die Arbeiten nicht persönlich durchführt, muss er zumindest mitwirkend sicherstellen, dass alle Geräte und Maschinen im ordnungsgemäßen Zustand sind und nur von eingewiesenem fachkundigem Personal bedient werden.
Gefahr in Verzug
Seit über 1000 Tagen hat es im Werk keinen Arbeitsunfall mehr gegeben. Rüdiger Schulz ist froh, dass er durch seine Arbeit meist schon im Vorfeld Schlimmeres verhindern kann. „Ich freue mich, dass ich die Arbeitssicherheit bei Alstom in Stendal jeden Tag ein bisschen verbessern kann – und zwar nachhaltig und Zug um Zug!“
Unser zufriedener Kunde über die Zusammenarbeit mit BAD
"Mit BAD verbindet uns eine sehr lange Partnerschaft. Wir sind diese bewusst eingegangen, weil der Umfang und die Kompetenzen, die BAD mitbringt, als frischer dritter und unabhängiger Blick uns mehr Edit Value gibt als das Suchen im eigenen Umkreis. Wir suchen die Schlüssel nicht im Scheinwerferkegel der Laterne, sondern wir lassen mal die Sonne scheinen!"
Jörg Neubauer, Werksleiter Alstom Lokomotiven Service GmbH
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