Jeden Tag gibt es in Deutschland rund 2.500 Erste-Hilfe-Fälle. Doch nur weniger als die Hälfte der Deutschen hilft laut Umfragen im Ernstfall. Dabei ist jede Person, die Erste Hilfe leisten kann, hierzulande laut Strafgesetzbuch dazu verpflichtet. Es besteht Aufklärungsbedarf, wie diese gesetzlich verpflichtende Erste Hilfe schnell und richtig zu leisten ist.
Gut zu wissen: Die Notrufnummer 112 gilt in Deutschland seit 1973. Seit 2008 kann die 112 auch europaweit für Notfälle gewählt werden. Sie ist vorwahlfrei, kostenlos und verbindet Anrufende mit der örtlich zuständigen Notrufzentrale. Für polizeiliche Notfälle ist in Deutschland die 110 zu wählen.
Arbeitsschutzgesetz verpflichtet alle Unternehmen, Erste Hilfe zu organisieren
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, eine betriebliche Erste Hilfe zu organisieren, ergibt sich aus § 10 Arbeitsschutzgesetz. Meist sind es im Arbeitsalltag nur kleine Verletzungen wie ein Schnitt in den Finger oder ein umgeknickter Fuß, bei denen eine Versorgung durch betriebliche Ersthelfende bzw. eine Vorstellung beim Durchgangsarzt / bei der Durchgangsärztin ausreicht.
Größere Unfälle und Notfälle lassen sich jedoch nie ganz ausschließen, sodass für diese Fälle eine gute Organisation der Ersten Hilfe im Betrieb unumgänglich ist. Die betriebliche Erste-Hilfe-Organisation gewährleistet, dass im Notfall eine Erstversorgung bis zum Eintreffen von medizinischem Fachpersonal und der weiteren professionellen Versorgung sichergestellt ist.
Erste-Hilfe-Organisation im Betrieb aufbauen
Zur Organisation der Ersten Hilfe in Betrieben gehören Meldeeinrichtungen, das richtige Erste-Hilfe-Material, Rettungsgeräte in geeigneter Form sowie geschultes Personal. Die Anzahl und Art der Ersthelfenden ist in der DGUV Vorschrift 1 geregelt und abhängig von der Art der Tätigkeitsstätte sowie der Größe des Unternehmens (bzw. der Anzahl an Mitarbeitenden).
Die gebräuchlichste Meldeeinrichtung für eine effiziente Meldung und Koordination ist das Telefon mit sichtbarer Notrufnummer. Zu den gängigsten Erste-Hilfe-Materialien gehören der betriebliche Verbandkasten mit Verbandmaterial, Hilfsmittel und Rettungsdecke sowie automatisierte externe Defibrillatoren (in Einzelfällen auch Beatmungshilfen, Notdusche, Krankentrage etc.). Seit November 2021 gelten zudem geänderte DIN-Vorschriften zum Inhalt von betrieblichen Verbandkästen.
Erste-Hilfe-Organisation sicherstellen
Aufbewahrungsstellen für Erste-Hilfe-Material müssen deutlich erkennbar, dauerhaft mit Rettungszeichen für Erste-Hilfe-Einrichtungen gekennzeichnet und bestenfalls im Flucht- und Rettungsplan vermerkt sein. Zudem ist ein Alarm- und Meldeplan empfehlenswert, den die Beschäftigten kennen müssen und der alle nötigen Informationen und Telefonnummern für die Erste Hilfe enthält. Dieser dient dazu, hilfesuchende Personen in die Lage zu versetzen, ohne großen Zeitverlust Klarheit über die installierten Alarm- und Melde-Einrichtungen zu haben und einen Notruf abzusetzen.
Beispielsweise sollten u. a. Informationen zu einer zugelassenen Durchgangsärztin oder einem zugelassenen Durchgangsarzt und dem nächstgelegenen berufsgenossenschaftlich zugelassenen Krankenhaus leicht zu finden sein. Sofern mit einer Verletzung bzw. einer Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeit oder die Notwendigkeit einer längeren ambulanten oder stationären Behandlung einhergeht, muss die versicherte Person von einer Durchgangsärztin oder einem Durchgangsarzt begutachtet werden. Dies gilt allerdings nur für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, die unter die gesetzliche Unfallversicherung fallen. Bei anderen medizinischen Notfällen, wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen, greift diese Regelung nicht.
Je nach Gefährdungspotenzial im Betrieb sind außerdem diese Angaben sinnvoll:
- Giftnotruf: Beim Umgang mit Gefahrstoffen kann es sinnvoll sein, hier Informationen einzuholen. Es gibt in Deutschland mehrere Giftinformationszentren / Giftnotrufzentralen. Eine Übersicht über alle Giftnotrufzentralen in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelgesundheit zusammengestellt: https://gesund.to/ldg
- Augenarzt: Bei isolierten Augenverletzungen ist es sinnvoll, direkt eine Augenärztin oder einen Augenarzt zu kontaktieren.
- HNO-Arzt: Bei isolierten Hals-, Nasen-, Ohrenverletzungen ist es sinnvoll, direkt eine HNO-Ärztin oder einen HNO-Arzt zu kontaktieren.
- Zuständige Berufsgenossenschaft: Wird der Rettungsdienst gerufen, benötigt dieser diese Angabe zur späteren Abrechnung.
Betriebliche Ersthelfer:innen ausbilden
In jedem Unternehmen in Deutschland muss sichergestellt sein, dass bei einem Unfall Erste Hilfe geleistet werden kann. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, betriebliche Ersthelfer:innen ausbilden zu lassen. Dieses regelt die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“.
Unter geschultem Personal werden betriebliche Ersthelfer:innen verstanden, die die Unfallstelle absichern, die Erstversorgung sicherstellen und die Rettungskette aktivieren (immer unter Beachtung des Eigenschutzes). Die erforderliche Anzahl und Art an Ersthelfer:innen richtet sich nach der Zahl der Beschäftigten und der Art des Betriebs:
- bis zu 20 Beschäftigte eine Ersthelferin oder einen Ersthelfer
- ab 20 Beschäftigte in Verwaltungs- und Handelsbetrieben 5 % der Beschäftigten
- ab 20 Beschäftigte bei sonstigen Betrieben 10 % der Beschäftigten
- ab 250 Beschäftigte sollte zusätzlich ein:e Betriebssanitäter:in für die Erste-Hilfe-Leistung zur Verfügung stehen, wenn Art, Schwere und Zahl der Unfälle den Einsatz erfordern
- ab 1.500 Beschäftigte muss mindestens ein:e Betriebssanitäter:in zur Verfügung stehen.
Um betriebliche:r Ersthelfer:in zu bleiben, wird spätestens alle zwei Jahre eine Auffrischung durch ein Erste-Hilfe-Training erforderlich. Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger übernehmen die Kosten für die Aus- und Fortbildung. Regelmäßige Übungen für alle Ersthelfenden und ggf. Mitarbeitenden im Betrieb schaffen zudem Sicherheit im Umgang mit Notsituationen.
Mut zur Ersten Hilfe
Lassen auch Sie sich zum Ersthelfenden ausbilden. So helfen Sie im Zweifel, Leben zu retten. Je mehr Sie über Erste Hilfe wissen, desto schneller und kompetenter können Sie eine verletzte Person versorgen. Wenn Sie im Fall der Fälle dann nicht sicher sind, ob Sie das Richtige tun, tun Sie es trotzdem. Handeln ist besser als zuschauen. Für unabsichtliche Fehler werden Sie als Ersthelfer:in nicht haftbar gemacht. Beschäftigte stehen zusätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ihres Betriebes. Hilfe zu unterlassen, obwohl Sie sie leisten könnten, kann dagegen strafrechtlich verfolgt werden.