"Alles laut oder was?" heißt das Motto des diesjährigen Internationalen Tages gegen Lärm am 24. April. Im Interview erklärt Simon Kraft, BAD-Experte zum Thema Schall und Vibration, was Lärm mit uns macht und warum wir so unterschiedlich auf Lärm reagieren.
Man hat das Gefühl, dass heute jederzeit irgendwo Krach und Lärm herrscht…
Simon Kraft: Für die die meisten Menschen steht das Thema Ruhestörung im Vordergrund. Hier spielen insbesondere psychische Aspekte eine Rolle. Störende Geräusche kommen ja überall vor, auch in Büros. Vielfach wird einfach durch Sprache, also das ungewollte Mithören, die Aufmerksamkeit abgelenkt. Dieses Thema gehört aber eher in den Bereich der Raumakustik, weniger zum Lärm. Lärm im klassischen Sinne ist vorwiegend im gewerblichen Bereich ein Thema, natürlich auch bei handwerklichen Tätigkeiten bis hin zur Grünpflege. Die Akustik betrifft überwiegend Büro- und Unterrichtsräume.
Häufig tritt auch im Zusammenhang mit Lärm das Thema Vibration auf. Dieses lässt sich im Alltag aber nur schwer greifen, da keine einfache Messung möglich ist. Man unterscheidet hier die Felder Ganzkörper- sowie Hand-Arm-Vibrationen. Hand-Arm-Vibrationen treten häufig bei Handwerkern, Gärtnern und Forstwirten auf, verursacht durch handgehaltene Kleingeräte wie Freischneider, Motorsägen, Bohrhämmer etc. Ganzkörpervibrationen sind kennzeichnend für die Logistik und Baubranche. Sie betreffen vorwiegend Fahrer von Flurförderzeugen und LKW. Aber auch Bediener von Baumaschinen sind hier besonders belastet. Für diese Personen bietet BAD eine Beratung im Zuge einer arbeitsmedizinischen Vorsorge G46 an.
Was passiert denn mit uns im Berufs- wie Privatleben, wenn wir ständig Lärm, Schall und Vibrationen ausgesetzt sind?
Kraft: Wenn wir Schallpegel ab rund 70dB(A) ausgesetzt sind, wird unser Köper aktiviert. Das kann zunächst positive Effekte haben. Auf Dauer führt dies aber durch die fehlende Ruhe und damit verbundene fehlende Entspannung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Es kann zu erhöhter muskulärer Anspannung, schlechterem Schlaf kommen. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden so begünstigt, zudem macht es leichter reizbar und risikobereiter. Bei Schallpegeln ab 80dB(A) aufwärts muss zusätzlich mit einer Schädigung des Gehörs gerechnet werden. Ab diesem Niveau verdoppelt sich das Risiko alle 3dB!
Bei den Vibrationen verhält es sich ähnlich: Durch Hand-Arm-Vibrationen werden die Muskeln angeregt, auch die in den Venen. Diese ziehen sich zusammen und die Durchblutung nimmt ab. Langfristig kann hier die „Weißfingerkrankheit“ die Folge sein. Durch die ständige Bewegung kommt es zu mechanischem Verschleiß an den Gelenken, sprich Arthrose. Die Bandscheiben sind insbesondere in der sitzenden Position schon in einer gewissen Zwangshaltung. Wenn dann noch Ganzkörpervibrationen dazukommen, wird deren Verschleiß zusätzlich gefördert, d.h. sie werden dünner und können sich auch verformen, was als Bandscheibenvorfall zu spüren ist.
Warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf Lärm?
Kraft: Die Reaktion auf Lärm hängt immer von unserem Verhältnis zum Geräusch ab. Wenn wir dieses selbst verursachen oder beeinflussen können, dann nehmen wir es viel leichter hin und setzen uns diesem auch eher aus. Wenn uns die Einflussmöglichkeit und vielleicht auch noch die Vorhersehbarkeit fehlen, dann empfinden wir es sehr schnell als belästigend. Die Höhe des Schallpegels spielt hier nicht einmal die größte Rolle. Wenn etwa ein Bürodrucker von anderen mitbenutzt wird, kann es derjenige, der daneben sitzt, als Belästigung empfinden. Denn jederzeit kann ein Druckauftrag erfolgen, ohne dass dieser in irgendeiner Form vorhersehbar wäre.
Gibt es Geräusche, die alle gleichermaßen besonders nerven?
Kraft: Wenn ich an einen bremsenden Güterzug denke, dann kann ich mir schwer vorstellen, wer daran Gefallen finden könnte. Am anderen Ende der Lautstärkeskala gibt es noch den tropfenden Wasserhahn und die Schnake im nächtlichen Schlafzimmer. In der Zahnarztpraxis wird es wohl einen Unterschied zwischen Patient und Zahnarzt geben – Letzterer verdient damit sein Geld. Da kann das Geräusch auch Musik in den Ohren sein. Für unseren Alltag lenkt die ungewollt mitgehörte Sprache beim konzentrierten Arbeiten besonders ab.
Was kann man tun, um sich weniger an Lärm zu stören?
Kraft: Zunächst sollte man sich klarmachen, ob man einen Einfluss auf die Lärmquelle hat. Vielleicht hilft ein freundliches Gespräch mit dem Nachbarn, wenn man ihm erklärt, dass man ab einer bestimmten Uhrzeit gerne schlafen möchte und seine Musik stört. Wenn man keinen Einfluss auf das Geräusch hat, sollte man überlegen, ob man sich auf andere Art schützen kann. Bei Straßenlärm empfiehlt es sich stoßzulüften statt Fenster zu kippen. Wenn nachts etwa das Quietschen einer Straßenbahn beim Schlafen stört, dann bleibt vielleicht nur noch das Einsetzen von Gehörschutzstöpseln.
Wird man im Laufe des Lebens lärmempfindlicher?
Kraft: Leider verliert das Gehör mit zunehmendem Alter an Empfindlichkeit, dieses macht sich zunächst bei höheren Frequenzen bemerkbar und kann dann auch den Sprachbereich tangieren. Jedoch kann sich die Einstellung zur Schallquelle ändern. In jüngeren Jahren freut man sich vielleicht über laute Partymusik, später wird es zum Lärm.
Was können Unternehmen tun, um Beschäftigte besser vor Lärm zu schützen?
Kraft: Jeder Arbeitsplatz sollte regelmäßig im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung überprüft werden. Dabei sollte die Lärmmessung Teil einer Gefährdungsbeurteilung sein, ist es aber nicht immer. Wenn man zum Beispiel in einem ruhigen Bereich ist, finden nicht automatisch Messungen statt. Wenn man aber bei einer Begehung schon gegen den Lärm anreden muss, sollte
man den Schallpegel messen.
Müssen wir uns besser vor Lärm schützen?
Kraft: Das ist eine sehr individuelle Frage. Glücklicherweise hat sich das Bewusstsein zur Gefährdung durch Lärm in den letzten Jahren gesteigert und auch die auf dem Markt befindlichen Gehörschutzprodukte sind vielfältiger und angenehmer zu tragen geworden.
Mitarbeiter, die sich lange Jahre nicht gut geschützt haben, müssen über die Risiken fürs Gehör aufgeklärt und zum Tragen des Gehörschutzes motiviert werden.
Kann man sich an Lärm gewöhnen?
Kraft: An gehörschädigenden Lärm kann man sich nicht gewöhnen. Statt der vermeintlichen Gewöhnung kommt es zu einer fortschreitenden Schädigung des Gehörs.
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