So schalten Sie Lärm im Büro aus!

Internationaler Tag gegen Lärm

Am 29. April ist Internationaler Tag gegen Lärm. Im Interview erklärt BAD-Experte Simon Kraft, wie heutige Büros gestaltet sein sollten und was Arbeitnehmer und Arbeitgeber gerade jetzt bei vermehrtem mobilem Arbeiten in der Corona-Krise im häuslichen Arbeitszimmer beachten sollten.

Wo sonst in unserem Alltag viel Lärm herrscht, ist es im Augenblick, vor allem in Städten, deutlich ruhiger...

Simon Kraft: Ja, das kann ich nur bestätigen. In den ersten Tagen war es ein etwas komisches Gefühl draußen, irgendetwas fehlte. Durch den wegfallenden Fluglärm und viel weniger PKW-Verkehr ist eine ganz andere Atmosphäre entstanden, die wir vielleicht bewusst wahrnehmen und als "normalen" Zustand abspeichern sollten. So war quasi die Welt vor der Industrialisierung. Darauf ist unser Gehör abgestimmt.

In der Coronakrise arbeiten viele im Homeoffice. Was ist für das häusliche Arbeitszimmer wichtig?
Kraft:
Uns stören aus akustischer Sicht vor allem unvorhersehbare Geräusche. Sie reißen uns aus der Konzentration heraus, unterbrechen den Gedankenfluss. Gerade im Homeoffice, was bei manchen eigentlich das Wohnzimmer oder die Küche ist, wird das häufiger passieren. Andere Personen im Haushalt benutzen die Räume mit und suchen natürlich auch den Kontakt zum Arbeitenden. Hier sind Regeln unter Erwachsenen oder mit Kinder ab vielleicht zehn Jahren hilfreich, um in Ruhe arbeiten zu können. Das kann etwa eine selbst gebastelte Ampel sein oder ein Piktogramm, welches das Ruhebedürfnis signalisiert.

Auch wenn es etwas merkwürdig klingt, kann ein Gehörschutz Sinn ergeben, um die Störwirkung zu reduzieren. Und so bleibt auch der Familienfrieden erhalten, wenn man nicht permanent spielende Kinder ermahnen muss. Glücklich wer einen Kopfhörer mit Active Noise Cancelling hat: der versetzt den Träger in einen schallgedämmten Raum.

Außerdem sollte nicht ständig das Radio laufen. Das lenkt zu sehr ab. Besser ist es, zwischendurch eine Pause zu machen, weg vom Bildschirm, sich gezielt mit anderen zu unterhalten, zu bewegen, etwas zu trinken oder Radio zu hören. Und dann wieder konzentriert arbeiten.

Warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf Lärm?
Kraft:
Die Reaktion auf Lärm hängt immer von unserem Verhältnis zum Geräusch ab. Wenn wir dieses selbst verursachen oder beeinflussen können, dann nehmen wir es viel leichter hin und setzen uns diesem auch eher aus. Wenn uns die Einflussmöglichkeit und vielleicht auch noch die Vorhersehbarkeit fehlen, dann empfinden wir es sehr schnell als belästigend. Die Höhe des Schallpegels spielt hier nicht einmal die größte Rolle. Wenn etwa ein Bürodrucker von anderen mitbenutzt wird, kann es derjenige, der daneben sitzt, als Belästigung empfinden. Denn jederzeit kann ein Druckauftrag erfolgen, ohne dass dieser in irgendeiner Form vorhersehbar wäre.

Gibt es Geräusche, die alle gleichermaßen besonders nerven?
Kraft:
Wenn ich an einen bremsenden Güterzug denke, dann kann ich mir schwer vorstellen, wer daran Gefallen finden könnte. Am anderen Ende der Lautstärkeskala gibt es noch den tropfenden Wasserhahn und die Schnake im nächtlichen Schlafzimmer. In der Zahnarztpraxis wird es wohl einen Unterschied zwischen Patient und Zahnarzt geben. Letzterer verdient damit sein Geld. Da kann das Geräusch auch Musik in den Ohren sein. Für unseren Alltag lenkt die ungewollt mitgehörte Sprache beim konzentrierten Arbeiten besonders ab.

Kann man sich an Lärm gewöhnen?
Kraft:
An gehörschädigenden Lärm kann man sich nicht gewöhnen. Bei Schallpegeln ab 80dB(A) und mehr muss zusätzlich mit einer fortschreitenden Schädigung des Gehörs gerechnet werden. Ab diesem Niveau verdoppelt sich das Risiko alle 3dB!

Wird denn durch Lärm nur unser Gehör geschädigt?
Kraft:
Wenn wir Schallpegel ab rund 70dB(A) ausgesetzt sind, wird unser Körper aktiviert. Das kann zunächst positiv wirken. Auf Dauer führt dies aber durch die fehlende Ruhe und damit verbundene fehlende Entspannung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Es kann zu erhöhter muskulärer Anspannung, schlechterem Schlaf kommen. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden so begünstigt. Zudem sind wir leichter reizbar und risikobereiter.

Warum ist die Raumakustik in Büroumgebungen ein so wichtiges Thema?
Kraft:
Sitzt mehr als eine Person im Raum und wird dabei auch noch gesprochen, wird man durch ungewollt mitgehörte Gespräche abgelenkt. Hier sollte jeder abwägen, wie sehr man sich gestört fühlt und welche Auswirkungen die Störung auf die eigene Leistungsfähigkeit hat. Gibt es in einem Mehrpersonenbüro keine raumakustischen Maßnahmen, wie Trennwände, und sitzen die Kollegen auch noch eng beieinander, dann wirkt sich das negativ auf die erbrachte Arbeitsleistung aus.

Wie hat sich das Thema „Lärm im Büro“ in den letzten Jahren entwickelt?
Kraft:
Das Bewusstsein für subjektive Störeinflüsse ist größer geworden. Aber auch dort, wo es Arbeitgeber besonders gut meinen und dem Wunsch nach viel Absorptionsmaterial im Raum nachkommen, lassen sich nicht immer alle Probleme lösen. Auf Abständen unter fünf Metern spielt das Thema Direktschall eine große Rolle. Es kommt darauf an, die schallschluckenden Elemente richtig zu platzieren.

Wie leise sollte der optimale Arbeitsplatz Ihrer Meinung nach sein?
Kraft:
Leise ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Besser wäre meiner Ansicht nach der Begriff „informationslos“. Bei sehr geringem Hintergrundgeräusch kann auch schon ein leise geführtes Gespräch ablenken. Wenn etwa durch eine Lüftung ein Rauschen das Hintergrundgeräusch erhöht, wird das Gespräch nicht mehr verstanden und stört weniger.

Haben Sie noch einige Verhaltenstipps, von denen alle in einem Büro schnell profitieren können?
Kraft:
Kollegen sollten sich auf Regeln einigen, wie sie signalisieren können, dass sie nicht gestört werden möchten. Private Gespräche oder längere Telefonate sollten beispielsweise in einer Teeküche oder in einem separaten Raum geführt werden. Über andere Arbeitsplätze hinweg sollte nicht gesprochen werden. Drucker, die von mehreren genutzt werden, sollten möglichst nicht direkt neben einem Arbeitsplatz stehen

Was können Arbeitgeber zur Lärm- bzw. Geräuschreduzierung neben der Gefährdungsbeurteilung tun?
Kraft:
Erst durch die Gefährdungsbeurteilung wird die Belastung betrachtet und Schutzmaßnahmen abgeleitet. Hier möchte ich auf die technische Regel für Arbeitsstätten, ASR A3.7, hinweisen. Diese bietet eine gute Handlungsanleitung zur subjektiven Beurteilung: maximale Beurteilungspegel, Nachhallzeit (zur Abschätzung des Absorptionsmaterials für einen Raum) sowie technische und organisatorische Handlungsempfehlungen.


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