In Deutschland greifen inzwischen eine Million Menschen zu E-Zigaretten. Sind sie tatsächlich weniger schädlich als ihr Tabak-Pendant? Und was steckt hinter diesem Trend? Jens Reppahn, Suchttherapeut und Berater Gesundheitsmanagement bei BAD, gibt im Gespräch Antworten auf diese und weitere Fragen.
Sind E-Zigaretten gesünder?
Jens Reppahn: Die Wissenschaft ist sich zwar einig, dass der Dampf von E-Zigaretten weniger Schadstoffe enthält als Tabakrauch. Es fehlen jedoch noch aussagekräftige Langzeitstudien. Außerdem sollte dies nicht den irreführenden Eindruck erwecken, der Konsum sei unbedenklich.
Enthalten die Liquids Nikotin führen sie – ähnlich wie Tabakzigaretten – zu körperlicher und psychischer Abhängigkeit. Des Weiteren ist bekannt, dass einige Aromastoffe schädlich sind. Sie können zum Beispiel beim Einatmen schwere Entzündungen der Atemwege auslösen, andere Duft- und Konservierungsstoffe wie Benzylalkohol oder Zimtaldehyd verursachen Kontaktallergien.
Mit dem Dampf geraten darüber hinaus feinste Partikel in die Lunge und lagern sich dort ab. Sie führen unter Umständen zu Beeinträchtigungen der Bronchien oder zu einer verringerten Lungenfunktion. In manchen der Aerosole wurden zudem Substanzen wie Formaldehyd oder Azetaldehyd nachgewiesen. Von ihnen weiß man, dass sie Krebs erzeugen können.
Helfen sie bei der Raucherentwöhnung?
Reppahn: Die bisher größte Studie zu dieser Thematik hat die University of California, San Francisco, veröffentlicht. In diese Meta-Analyse flossen die Daten von 38 Forschungen ein, die den Zusammenhang zwischen der Nutzung der E-Zigarette und der Entwöhnung genauer betrachtet haben.
Das Ergebnis zeigt: Raucher, die zur E-Zigarette greifen, weisen gegenüber den bewährten Methoden (verhaltenstherapeutische Maßnahme, unter Umstände in Verbindung mit Nikotinersatztherapie) eine um bis zu 28 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit auf, ganz auf das Rauchen zu verzichten. Auch werden die vom Rauchen gewohnten Rituale in der Regel beibehalten. Insofern ist zu befürchten, dass sie Aufhörwillige eher vom Rauchstopp abhalten als diesen fördern. Wer vom Rauchen loskommen möchte, kommt nicht umhin, seine gewohnten Verhaltensweisen zu ändern.
... oder auch beim Einstieg?
Reppahn: E-Zigaretten werden als harmlose Variante zur klassischen Tabakzigarette dargestellt und auch so eingeschätzt. Hier sehe ich insbesondere Jugendliche gefährdet. Zahlen bestätigen dies: laut Eurobarometer halten 40 bis 45 Prozent der unter 25-jährigen das Produkt für unbedenklich. Studien bestätigen übrigens auch, dass jugendliche Nutzer von E-Zigaretten mehrheitlich Nicht-Tabak-Raucher waren, das heißt, sie haben nie zuvor eine Tabakzigarette geraucht. Wählt der Konsument ein Liquid, das Nikotin enthält, ist der Dampf genauso suchterzeugend wie eine herkömmliche Zigarette.
Geschmacksrichtungen wie Apfel, Vanille oder Erdbeere lassen den Dampf natürlich angenehmer wirken als den beißenden Zigarettenrauch. Das Verdampfungsverfahren vermittelt das Bild von High-Tech, das Equipment wirkt stylisch. Außerdem bewerben attraktive Stars die Marken. Damit wird Rauchen wieder salonfähig. Es entsteht das Gefühl, sich mit E-Zigaretten überall zeigen zu können, ohne die Luft zu verpesten oder anderen zu schaden.
Wie sieht es mit dem Nichtraucherschutz aus?
Reppahn: Rauchen ist vermehrt aus der Öffentlichkeit verschwunden und hat stark an Akzeptanz eingebüßt; dazu haben unter anderem die verschärften Nichtraucherschutzgesetze beigetragen. Hier befürchte ich, dass durch die hohe Akzeptanz der E-Zigarette eine Trendwende eingeleitet wurde. Meiner Meinung nach hat das Rauchen von E-Zigaretten nichts in Innenräumen zu suchen.Die Vielzahl der potenziell gesundheitsgefährdenden Substanzen in der Raumluft Hätte besonders für Menschen mit Vorerkrankungen gesundheitliche Nachteile zur Folgen.
Diese Einschätzung teilt übrigens das Bundesinstitut für Risikobewertung seit 2012 fortlaufend in seinen Stellungnahmen und empfiehlt, E-Zigaretten in Nichtraucherbereichen wie herkömmliche Zigaretten zu behandeln.