Die Gründe für soziale Isolation sind individuell und vielfältig. Herkunft, Wohnort, sozioökonomischer Status, Persönlichkeitsstruktur und Alter können eine Rolle spielen – genauso wie Schicksalsschläge und die eigene Handlungsfähigkeit zur Resilienz. Unterschätzt wird oft, dass auch die Situation am Arbeitsplatz einen Einfluss hat.
Herausforderung mobiles Arbeiten
Das mobile Arbeiten trägt zum Beispiel bei manchen Menschen zur Vereinsamung bei – vor allem, wenn es verordnet und nicht selbst gewählt wird. Das betrifft diejenigen, die keinen anderen Austausch haben als den mit den Kolleg*innen im Büro, sowie Beschäftigte, die sich allein zu Hause vor ihrem Rechner abgeschnitten fühlen.
Soziale Isolation gibt es auch bei einzelnen Mitgliedern in nicht gut funktionierenden Teams, bei Mitarbeitenden, die wegen eines Jobwechsels umgezogen sind und am neuen Standort noch niemanden kennen, oder bei solchen, die mit ihren Aufgaben überfordert sind und sich niemandem anvertrauen können oder wollen.
„Meistens ist Einsamkeit nicht das vordergründige Thema, mit dem die Beschäftigten zu uns kommen“, sagt Stefan Völkl, der als Berater Gesundheitsmanagement bei BAD viele Beratungsgespräche im Rahmen des Employee Assistance Program (EAP) führt. „Gerade bei psychischen Störungsbildern wie depressiven Störungen oder Suchterkrankungen kann soziale Isolation jedoch öfter Auslöser oder mit ursächlich sein.“ An der Antwort auf die Frage „Wen haben Sie, der Ihr Anliegen mitträgt?“ erkennt er schnell, ob jemand stabile soziale Kontakte hat.
Resilienz stärken
Sieht Völkl in den sozialen Beziehungen des betrieblichen Miteinanders ein Defizit, ermutigt er die Betroffenen, sich erst einmal im vertrauten Rahmen auf eine Verbindung mit Kolleg*innen einzulassen, immer unter Berücksichtigung des eigenen inneren Kompasses. In belastenden Lebenssituationen rät er zudem dazu, sich zu besinnen auf bereits erfolgreich gemeisterte Krisensituationen sowie zuversichtlich auf die eigene Lösungskompetenz zu blicken.
Es kann jede*n treffen
Einsamkeit kann in jedem Alter und bei jeder Person auftreten. „Oft wird unterstellt, soziale Isolation sei etwas Schuldhaftes. Dabei kann es jemanden auch unverschuldet treffen, beispielsweise durch einen Schicksalsschlag oder bestehende Sprachbarrieren“, unterstreicht Völkl.
Das zeigt: Einsame Menschen kann es überall geben – in jeder Firma, in jedem Team. Unternehmen tun gut daran, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und es nicht als ein privates abzutun. „Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Sie sind verpflichtet, ihre Mitarbeitenden zu unterstützen und sie vor Gefahren zu schützen. Dazu zählt neben der Vorbeugung von Unfallgefahren und einem optimalen Arbeitsplatz auch Fairness beim Umgang mit der Belegschaft. Es gehört zu den Aufgaben des Arbeitgebers, sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden in dem Rahmen zurechtkommen, den er für die Arbeit vorgibt“, betont der BAD-Experte.
Unterstützungsangebote machen
Unternehmen sollten ihren Mitarbeitenden zur Gesundheitsprävention und Reduzierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz geeignete Unterstützungsangebote machen, zum Beispiel ein eigenes betriebliches Gesundheitsmanagement sowie ein Employee Assistance Program (EAP), rät Völkl. „Ein EAP zielt darauf ab, Gesundheit, Gleichgewicht und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden zu fördern und die Stabilität der Menschen in der Organisation auch in schwierigen Situationen zu gewährleisten. Es entlastet Führungskräfte und trägt somit zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens bei“, erläutert der Berater.
Für neue Mitarbeitende braucht es überdies ein gutes Einarbeitungsprogramm, das die Integration ins Team beinhaltet. So können häufig physische oder psychische Schieflagen und damit lange Ausfallzeiten vermieden werden. Des Weiteren stärken solche Angebote die Mitarbeitendenbindung und die Attraktivität als Arbeitgeber.
Führungskraft ist der Schlüssel
Gibt es eine solche Anlaufstelle nicht oder nimmt die einsame Person sie nicht in Anspruch, ist die Führungskraft der Schlüssel. „Kein Vorgesetzter muss Hobby-Psychotherapeut werden“, beruhigt Völkl. „Es genügt ein gesunder Blick sowie das Wahrnehmen und Ernstnehmen von Warnsignalen.“
Warnsignale wahrnehmen
Im Arbeits- und Leistungsverhalten zeigen Betroffene etwa Leistungsschwankungen, machen vermehrt Flüchtigkeitsfehler oder vermeiden es, bestimmte Tätigkeiten oder Verantwortung zu übernehmen. Auch eine verminderte Fähigkeit zur Arbeitsbewältigung, unentschuldigtes Fehlen und vermehrte Arbeitsunterbrechungen sind mögliche Signale. Zudem können im Sozialverhalten Abweichungen erkennbar sein, wie fehlende aktive Teilnahme an Besprechungen, Art der Ansprache in E-Mails oder sozialer Rückzug im Jour fixe.
Tipps für Kommunikation
„Führungskräfte müssen dann Zeit für eine wertschätzende Regelkommunikation einplanen“, empfiehlt Völkl. Hilfreich sind Fragen wie „Ist das soziale Miteinander im Team für dich stimmig?“, „Was brauchst du?“ oder „Wie kann ich dich in meiner Rolle als Führungskraft dabei unterstützen?“. „Die Führungskraft sollte der Person auch spiegeln, welche Verhaltensveränderungen sie an ihr wahrgenommen hat, und ihr mögliche Hilfsangebote aufzeigen“, sagt der BAD-Experte.
Was die Führungskraft dagegen nicht muss, ist, das Problem der/des Mitarbeitenden zu lösen, hebt er hervor: „Selbstfürsorge und Hilfe zur Selbsthilfe sind hier Stichworte: Holen Sie sich als Führungskraft wenn nötig unbedingt selbst frühzeitig Hilfe.“